Terroranschlag

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

Home ] Diskussionsforum ] Kapitel 1 ] Rezensionen und Zuschriften ] Veranstaltungen ] Die Autorinnen ] Der Prozess ] Literatur ] Links ]

Startseite

Affidamento
Alter/Generationen
Aktionen/Engagement
Angela Merkel und Co.
Autorität und Amt
Begehren
Big Brother
Bindung an Dinge
Cyberwelt
Dankbarkeit
Daseinskompetenz
Differenz
disfieri - Maschen aufziehen
Eigentum
Ende des Patriarchats
Ethik und Normen
Feminismus im Mainstream?
Flugschrift allgemein
Frauenbewegung
Frauen von...
Freiheit und Abhängigkeit
Geld
Gelingende Beziehungen
Geschlechterdifferenz
Globalisierung
Glück
Gurus unter Frauen
Handeln - tätig sein
Hausarbeit - Care
Herr und Gott
Homosexualität
Ideen
Illusionen
Institutionalisierung
IQ-Tests
Italienerinnen
Juristinnen
Macht
Das männliche Imaginäre
Mailingliste
Mystik/Spiritualität
Politik
Präsenz des Weiblichen
Schweizer Expo
Schweden
Sexualität
Sozialarbeit
Sozialstaat
Staat und Gerechtigkeit
Sprache und Theoriebildung
Symbolische Ordnung
Teilen
Terroranschlag
Verantwortung der Mütter
Verfassung
weibliche Identität
Väter
Zivilisation

 

Maria Koenig:

Was denkt ihr darüber? (11.9.01)

 

Maria Wolf: 

Ich denke, daß die Sprache einen Rahmen schafft, der einen ganz bestimmten Weg vorgibt: "Die USA befinden sich in einem Kriegszustand, sie wissen nur noch nicht wer ihr Gegner ist." oder "Das ist eine Kriegserklärung an die freie Welt.", "vergleichbar mit Pearl Harbour" oder so ähnlich. "Wir" sind solidarisch mit Amerika. "Wir werden die Täter jagen". Ich denke, daß da Identifikationsmuster zur Hand genommen werden, zu einer Zeit, wo noch gar nicht genau klar ist, was wie warum passiert ist. Ich denke, mein Gott, wieviele Leute arbeiten da und höre von 4 Flugzeugen, von 110 stöckigen Zwillingstürmen, vom Pentagon und bemühe mich durch diese zusammenstürzenden Prestigeobjekte von der Zahl 50 000 zu den Menschen zu kommen für die sie steht. Ich bin entsetzt und denke, hoffentlich identifizieren sie nicht die Töter mit einem bestimmten Land, mit den Palästinensern, mit Afghanistan. Ich mag nicht zu einem Gedenkgottesdienst gehen - in München auf dem Marienplatz um 21.30 - ich bin zu sprachlos und unruhig um organisiert zu gedenken. (11.9.01)

 

Ina Prätorius:

bevor ich meine Gefühle politisch korrekt sortieren konnte, habe ich gestern, vor jedem Gedanken an die Leute, die drinsitzen, beim Zusammenbruch des Zwillingsphallus ein grosses Gefühl der Befriedigung empfunden. Und jedeN kritischeN ZeitgenossIn, derdie behauptet, keinerlei Ambivalenz dieser Art empfunden zu haben, halte ich für unehrlich. Es war, u.a., eine grandiose Hollywood Persiflage. Und es musste kommen. Ich habe gestern ungefähr sechs Stunden lang vor dem Fernseher gesessen und habe mich durch 14 Programme gezappt. Es war hochinteressant zu sehen, wie die Leute reden, wenn sie sich mal wirklich nicht vorbereiten konnten. In einer Diskussion gab es Streit zwischen einem Soziologen und einem Konfliktforscher. Der Soziologe sagte: "Das war Barbarei gegen Zivilisation". Der Konfliktforscher sagte: "Die Barbarei ist Teil dieser Zivilisation". Ich stimme dem Konfliktforscher zu. (12.9.01)

 

Carola Enning:

Dann muß ich damit leben, daß Du mich unehrlich findest oder mir absprichst, eine kritische Zeitgenossin zu sein. (12.9.01)

 

Antje Schrupp: 

Also ich hatte - selbst, wenn ich ehrlich bin - auch kein Gefühl der Befriedigung, jedenfalls nicht eines, das sich auf den Zusammenbruch der Häuser bezog, allerdings durchaus ein Gefühl in dem Sinne von: Ich hab es doch gewusst. Denn darin stimme ich dir zu, Ina: Das musste passieren, und es ist eigentlich ein Wunder, dass es jetzt erst war. Ich fand die Berichterstattung auch spannend - vor allem das Bemühen, herauszustellen, wie super-organisiert die Attentäter gewesen sein müssen, das ist nämlich totaler Quatsch. Es haben zehn Leute dafür ausgereicht. Es war überhaupt keine große Logistik etc. notwendig. Ich glaube, dieses Wissen ist es letztlich auch, das jetzt das Entsetzen ausmacht. Und natürlich drängt sich auch der Vergleich mit Hollywood auf - nur war jetzt eben kein James Bond oder Bruce Willis da, der die Katastrophe in der letzten Sekunde abgewendet hätte. In diesem Sinne ist ein Phallussymbol zusammengekracht - nicht so sehr die Türme des World Trade Center, alles doch letztlich irgendwie unter Kontrolle zu haben. (12.9.01)

 

Martje Brandt:

Danke für Eure Beiträge. Ich saß die ganze Zeit auf dem Gefühl: Das geht mich doch gar nichts an da in USA. Und hielt mich schon für gefühls- und mitleidslos. Aber durch Eure Gedanken bin ich etwas anderem auf die Spur gekommen. Ausgestiegen aus dem Patriarchat, auf den Grenze lebend zwischen den Spielräumen, die die Welt und läßt und die wir neu finden (nach Mary Daly)gehöre ich innerlich weder in die Welt des Terrors noch die der Welthandelszentren. Und doch warten da eben hunderte Kinder auf ihre Eltern und deshalb lebe ich eben doch wieder mittendrin und will mir doch die Grenze erhalten und den Blick aus meiner Perspektive, die bei der Medienberichterstattung richtig schwer ist. Mich nervt am meisten das inzwischen fest gefundene neue Feindbild: Islamische Fundamentalisten. Und wieder klingt alles so einfach und logisch für die Hirne, die die Welt anders sehen als ich. Und ich merke: Auch in der Welt lebe ich nicht. Schön, daß es euch gibt. (12.9.01)

 

Hille:

Gestern abend, als die Mail hereinkam, traute ich mich noch nicht so recht, hier zu denken. Sicher - ich war erschüttert - aber der ganze Schrecken blieb so weit weg - erreichte mich nicht so richtig. Als ich den "Einsturzfilm" zum ersten Mal sah, hatte ich gleich das deja-vu-Erlebnis: "Das hab ich doch shon mal gesehen!" Später sprach ich mit meinem Mann darüber - es war der Film "Independece Day", wo genau das passierte oder wenigstens gezeigt wurde. Nachdem ich mich ca. 2 Stunden lang bei verschiedensten Sendern habe darüber informieren lassen, kam eine Erinnerung: an den 1. Tag des Golfkriegs. Da wurden auch immer wieder dieselben Bilder gezeigt, das "chirurgisch" genaue Abtreffen der Ziele - was aber wohl doch oft daneben gegangen ist - und damals stellten sich bei mir sofort ungeheure Gefühle des Mitgefühls für die Opfer ein. Alleine miterleben zu müssen, wie da so eine Rakete vorbeifliegt ... Meine jüngere Tochter war damals knapp 2 Jahre alt - und ich dachte an die Mütter mit ihren Kindern, an all die traumatisierten Menschen...  - Davon war aber in der Berichterstattung damals kaum die Rede - da wurde die Präzision und Effektivität des amerikanischen Angriffs lobend herausgestellt. Gestern war es umgekehrt: jetzt waren die Amerikaner die Opfer - und die Berichtersattung war sofort auf Seiten der Opfer. Die ungeheure Präzionsarbeit der Terroristen hingegen gilt heute als total menschenverachtend - die Täter haben sich außerhalb der menschlichen Gesellschaft gestellt - heißt es. Sicher kann man beides nicht vergleichen oder eine wirklich stimmige wahre Einsortierung in eine Skala des Schreckens und Ungeheuerlichen finden - aber die himmelweit unterschiedliche Berichterstattung über diese beiden schrecklichen Ereignisse hat mich doch sehr berührt - die löst bei mir jetzt auch Trauer - und auch Wut aus. Ich habe große Angst vor der Rache, die genommen wird. Wir werden, ganz egal, wie weit alles aufgeklärt wird, für die nächsten Jahre erhebliche Einbußen an Freiheit hinnehemen müssen - es wird sich ganz viel ändern - die USA kann man für die nächsten 15 Jahre als Reiseziel abhaken - da werden nur noch Paranoia und dem entsprechende Freiheitseinschränkungen sein. Ich bin sehr skeptisch, ob der "Fall" jemals befriedigend aufgeklärt wird. Ich habe den Eindruck, daß FBI, CIA, Regierung der USA etc. an einer ihnen gefallenden Geschichte dazu basteln. Es ist offensichtlich, daß Erkenntnisse zurückgehalten werden. Nach fast meinem Ermessen müßte doch nach Abklären der Passagierlisten der entführten Maschinen inzwischen klar sein, ob - und wenn ja, welche - Ausländer an Bord der Maschinen waren. Man könnte da fast den Eindruck gewinnen, man möchte nicht bekannt geben, daß keine Araber o.ä. an Bord waren. Was, wenn die Täter Amerikaner waren??? Frage: wer in der Welt trägt so viel Haß in sich, Haß gegen Amerika und seine Symbole, daß er solche Anschläge plant und durchführt, sich selbst tötet und so viele Menschen mit in den Tod nimmt? Das muß doch ein Haß sein, den man sich kaum vorstellen kann?? Gestern abend im Fernsehen habe ich Bush gesehen - sichtlich - für mich jedenfalls - unbewegt, ganz Herr der Lage - da war keinerlei Zittern in der Stimme oder sonstige Gefühlsregungen zu sehen! Ich habe Schröder gesehen, da kam schon ein bißchen Bewegtsein rüber. Und ich sah Arafat, der sichtlich bewegt und aufgewühlt war, dem man wirklich abnahm, daß für ihn mit diesem Terrorakt eine Grenze weit, sehr weit überschritten war - er konnte kaum sprechen. Ich stelle diese meine Eindrücke nur mal so nebeneinander! Sicher konnte man noch mehr Politiker etc. dazu sehen, aber ich mußte für heute noch eine Traueransprache schreiben, da hab ich nur sporadisch bei der Glotze vorbeigeschaut. Es ist schon schlimm, wenn ein "Feind" wie Arafat mehr Anteilnahme zeigt als der Präsident des betroffenen Landes! Gleich habe ich die Beerdigung, und im Schlußgebet möchte ich auch der Opfer von gestern gedenken, für ihre Angehörigen beten und auch für die vielen Menschen, die noch in der Ungewißheit leben: lebt mein Angehöriger noch?  (12.9.01)

 

Redmalans:

Gibt es auf irgend einem Sender eine Frauenrunde, die ihre Sicht zu diesem Angriff, in meinen Augen auf die globalisierte Welt, darlegen kann? Ist irgendwo Maria Mies zu hören? (12.9.01)

 

Christof Arn:

Bei mir ist die Ambivalenz so: Gewalt gegen Personen ist immer schrecklich, eigentlich ahne ich nur, wie schrecklich sie hier ist, ich halte es mir vom Leib, mich genau darauf einzulassen. Aber so noch ist es brutal genug. Von der Gewaltrichtung her finde ich angezündete AsylantInnenunterkünfte und verhungernde Menschen (was beim heutigen Reichtum in anderen Ländern gegenwärtig schlicht und einfach Gewalt durch unterlassene Hilfeleistung ist) schlimmer. Das ist für mich die Ambivalenz: Dass die Gewalt hier für einmal gegen die Zentren der strukturellen Gewalt ging, die längst ein Vielfaches der gestern gestorbenen auf ihrem Gewissen hat - und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Opfer der strukturellen Gewalt abnehmen würde. Allerdings ist es höchst zweifelhaft, ob der gestrige Gewaltakt daran etwas ändert. Vielleicht wird es durch diese Gewalttat gegen Zentren der strukturellen Gewalt noch schlimmer. Aber das sollte uns ein Anlass sein zu überlegen, ob wir bessere Wege wissen, die strukturelle Gewalt mit ihren vielen, vielen Opfern anzugehen. Mir geht so viel durch den Kopf, jedenfalls ist es schöner, die Sache hier zu diskutieren als Zeitung zu lesen. Ich glaube, Menschen verarbeiten Gewaltereignisse wesentlich durch reden miteinander, auch wenn es digital ist. (12.9.01)

 

Fidi Bogdahn: 

Ich möchte euch auch danken, dass hier zu diesem Thema geschrieben wird, besonders Martje: deinen Gedanken fühle ich mich sehr nahe. Die Kinder aus dem Dorf  kamen gestern zu mir gerannt:  "...hast es schon gehört?" Nein, ich hatte noch nicht und liess mich von ihnen informieren. Dann sagte zum Schluß Steffi(13): "das werden sich die Amerikaner nicht gefallen lassen, die werden Vergeltung üben" (was das für eine Sprache ist..."gefallen ..." und dann "üben"...). Jedenfalls erwiderte ihr sofort ein Mädchen, das schwerstkrank ist (hat nur noch wenige Jahre zu leben, weil bei ihr Herz und Lunge seit Geburt nicht vollständig ausgebildet sind). Diese Christine(10) sagte laut und klar: " hoffentlich machen sie das nicht, sonst hört die Gewalt doch gar nicht mehr auf!" Abends kam ich nicht umhin, mir den Einsturz zweimal ansehen zu müssen. Danach habe ich die Kiste ausgemacht. Wie lange ich danach auf meinem Sofa saß, weiss ich nicht. Ich merkte nach ner Weile, dass meine Hände gefaltet waren und ich hatte keinerlei Gedanken ... Langsam, ganz langsam kam so ein Bewusstsein gekrochen, als wenn es sagen wollte:  "muss ich wirklich wieder zurückkommen?" Und dann war gedanklich anfangs noch alles bei mir  -in meinem kleinen Lebensbereich: der dörfliche Terror mit Gülle und Spritzmittel und unsere Unfähigkeit, darüber miteinander zu kommunizieren  und gute Lösungen zu finden,  u.a. erst  dann kamen die Bilder aus USA... Ich bin froh, dass ich sie nur zweimal habe sehen "müssen" -einmal zuviel. Mir schärfen diese Großkatastrophen den Blick für mein Leben. Wie sagte doch Christine...: " mit dem Frieden muss ICH anfangen, damit..." Das waren meine Gedanken, danke für eure! (13.9.01)

 

Britt Frank:

Ja, dann muß ich auch damit leben - als unehrlich und unkritisch betrachtet zu werden. Die Gedanken an die Menschen in diesen Türmen standen die ganze Zeit für mich im Vordergrund - sonst nichts. Bei den Bildern von Leuten mit wehenden Tüchern in den Fenstern - zwischen brennenden Stockwerken - war das auch anders nicht möglich, auch keine Sortierung von politischen Verhältnisse. Wie da irgend jemand eine Befriedigung bei dem Zusammenbruch der Türme empfinden könnte, kann ich nicht nachvollziehen - ein Untergang eines Phallussymbol kam mir dabei überhaupt nicht in den Sinn. Aber ich will mir auch nicht anmassen, eine solche Sichtweise zu "bewerten". Wenn wir noch bei Katastrofen wie dieser gleich Bewertungen aufstellen - welche Empfindungen ehrlich oder falsch sind - sind wir keinen Schritt weitergekommen. Ich bejahe die amerikanische Politik in keinster Weise - aber hier ging und geht es um menschliches Leid. Um evtl. Mißverständnisse auszuräumen: ich sitze nun nicht hier und zerfliesse in Mitleid und Mitgefühl. Für mich stellt sich eher die Frage, wie es nun weitergehen wird - welche Nachwirkungen werden diese Katastrofe haben. Wie gehen wir damit um, daß es so etwas unvorstellbares geschehen konnte. Alle Vorsichtsmaßnahmen haben versagt, Strukturen sind erschüttert worden - und längst nicht nur in USA. In einer solchen Krisensituation sind nun unterschiedliche politischen Strömungen in der Lage, sich an einen Tisch zu setzen - auch hier in Deutschland. Aber ich fürchte, bald geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Geschehnisse der letzten Tagen werden zwar nicht in Vergessenheit geraten - aber welche Lehren werden wir, wenn überhaupt, daraus ziehen. Ich jedenfalls wünsche mir noch mehr als bisher, daß die Menschheit die Liebe zur Freiheit und Hunger nach Sinn nicht nur suchen , sondern auch finden - in einer Politik des Differenz-Gedankens. (13.9.01) 

 

Hille:

ich mühe mich redlich, eine kritische aufmerksame Zeitgenossin zu sein. Gerade hörte ich im Radio (NDR 4) eine aufregende Frage: Was wäre passiert, wenn ein Flugeug das höchste Gebäude der Welt in Kuala Lumpur in dieser Weise getroffen und zerstört hat? Was wäre anders? Ich bin gespannt auf Eure Antworten. (13.9.01)

 

Rosadora Trümper:

ich glaube, das ist es, was mich so blockiert: ich kann das denken der einen 'patriarchalen' denkweise und das der anderen 'fundamentalistischen' nicht nachvollziehen. martje, du gabst den denkanstoss, danke. ich wollte es schon meiner angst (die angst der menschen, die einen weltkrieg schon miterlebt haben, ist eine scheinbar 'wissende' und dennoch ohnmächtige), meiner wut, meiner mich tiefergreifenden trauer und der reaktionen der machtmenschen zurechnen, bis du die '0hnmacht des dazwischen' schildertest. eine andere weltordnung wünschen und sie nicht verwirklichen können - ohnmächtiger kann frau sich nicht fühlen. ich selbst habe mich diesen machtstrukturen entzogen und weiss, dass das so nicht wahr ist und nicht bis in alle konsequenz geht. ich müsste schier 'verhungern', nicht nur ideell sondern auch materiell. ich schreibe und schreie und lebe gegen die 'verhältnisse' an und weiss, das das allein nicht hilft. wie also und wo wollen wir uns 'treffen', um eine andere ordnung zu entwerfen und zu leben? hast du/habt ihr eine idee? (14.9.01)

 

Rosadora Trümper:

ich denke und denke und denke - hin zu den menschen, den frauen, männern und kindern, denen diese protzenden männermacht-symbole, diese 'phallen' (fallen) in die 'falle' gingen. Mir gelingt es nur schlecht oder gar nicht. mir verstellen die 'bilder' die sicht und die durchsicht, ich kann nicht hindurch durch die ästhetik des schrecklichen (der fotografie gelingt oder unterläuft es ungewollt,  die grössten abscheulichkeiten der welt in 'schönen bildern' festzuhalten). die geballten staubwolken verhüllen mir mein sachliches denken, aber auch die sich anhäufenden berge von wut und rache der menschen. wenige nur sehen die 'ursache' nicht in dem absurden geschehen, sondern in der unfähigkeit, mit den andersdenkenden und unterpreviligierten dieser welt sich zu einigen.  macht und geld sind die 'verursacher' - (jeglichen krieges). ein 'umdenken' kann sich also nicht auf die 'art der rache' beziehen, sondern in der umverteilung von macht und finanzen. die armen der welt haben recht, jedes recht dieser welt, leben zu können. die 'taliban' - sie stehen besonder bei uns frauen in verruf. die unterdrückung, ja ausrotteung, der frauen, kann so nicht weitergehen. aber mit waffen ist dem nicht beizukommen. die taliban müssen weg. dass sie diesen bin laden beherbergen, wäre ein weiterer grund - auch er und seine fanatischen anhängerInnen müssen weg - ohne militärisches morden. Din film von shaira shah (vielleicht nicht richtig geschrieben) 'HINTER DEN SCHLEIERN' - gestern im sf 1 gesendet, hat mich sehr beeindruckt und beunruhigt. was können wir bloss tun? ich kann nicht nach 'kuala lumpur' denken - entschuldige, Hille. ich telefonierte gestern mit meiner freundin helena auf sifnos (gr), wo sie eine wandergruppe leitet. sie bekommen dort fast nichts mit von dem, was sich in der welt tut. eine alte griechin mit nur einem zahn noch im mund fragte sie: liegt new york bei konstantinopel? sie will dort demnächst mit ihrem pastor hin. als helena sie beruhigte und sagte, dass new york weit, weit weg von konstantinopel liegt, sagte sie: das ist gut, das ist gut so... denken, denken, das richtige denken und sortieren. aber was ist 'richtig' in so einer situation?... (14.9.01)

 

Hille:

Entschuldigung angenommen. Mein Denken nach Kuala Lumpur (meine Frage war: was würde passieren, wenn einsolches Attentat auf das höchste Gebäude der Welt in Kuala Lumpur verübt worden wäre?): nach spätestens einer Woche wäre die Katastrophe aus den Medien verschwunden - und nichts - gar nichts - kein Gegenschlag, Vergeltung ... würde passieren. Es wäre wie bei jeder anderen Katastrophe, die in einem Dritte-Welt-Land passiert! Man würde wieder zur Tagesordnung übergehen! (14.9.01)

 

Christof Arn:

Ich habe die Idee, dass dieses schreckliche Ereignis ein Anlass sein könnte, auf dieser Welt näher zusammenzurücken. Ich meine, gerade wenn wir uns per Email unterhalten, spielt eigentlich der Wohnort überhaupt keine Rolle. Dieses schreckliche Ereignis zeigt sehr deutlich, was wir alle nicht wollen können. Daran liesse sich vielleicht erspüren, was ein gemeinsamer Weltwille sein könnte. Ich glaube, es ist an der Zeit, einen Weltmatriotismus und Weltpatriotismus an einem Stück zu entwickeln. Eine Identifikation mit dem WeltbürgerIn-Sein, ein Stolz, eine gute Form des Zusammenlebens mitzugestalten. Lustigerweise habe ich mit dem Umzug vom Kanton Zürich in den Kanton Graubünden im vorderen Sommer die Erfahrung gemacht, dass es da wirklich gross Unterschiede gibt. Ich habe im Kanton Zürich keine Gemeinde erlebt, in der sich die Gemeinde-Bevölkerung beispielsweise mit der Schule indentifiziert hätte. Die Eltern der Schülerinnen und Schüler ging die Schule mehr oder weniger etwas an. Wessen Kind gerade keine Probleme hatte, wollte sich auch nicht die Finger verbrennen und machte den Mund nicht auf, auch wenn ärgere Missstände auf dem Schulhof und in den Schulzimmer herrschten. Hier in Scharans ist für viele Bewohnerinnen und Bewohner die Schule ein Thema, auch wenn sie längst keine Kinder mehr dort haben. Frau und Mann will sagen können: "Wir haben eine gute Schule". "Hier geht es den Kindern gut". Das ist gewissermassen eine Frage des ScharanserInnenstolzes. Unser ältestes Kind wurde geplagt in der Klasse. An einem Elternabend machte der Lehrer das zum Thema. Für die Eltern war sofort klar: Das gibt es bei uns nicht. Es wurde diskutiert, was zu machen wäre. Inzwischen ist das Problem so gut wie ganz gelöst. Das meine ich: Der Stolz, dass bei uns niemand leiden muss. Lustigerweise gibt es hier in den Bergen meinem Eindruck nach sogar eine feine Konkurrenz unter den politischen Gemeinden (die übrigens fast alle ganz wenig EinwohnerInnen haben), und zwar eine Konkurrenz in dem Sinn, möglichst eine gute Gemeinde zu sein, es schön zu haben zusammen, vielleicht Gemeindefester zu feiern, ein gemütliches 1.August-Fest zu haben oder so. Sicher habe ich es hier mit Scharans besonders gut getroffen. Und gewiss hat die Sache Schattenseiten. Aber ich erspüre, was ich finde, dass es sich lohnt, sich dafür einzusetzen. Ich finde, die Ereignisse in den USA zeigen, dass wir genau das als Welt brauchen. Und ich finde, das ist möglich. Warum denn nicht? Ich weiss nicht einmal, was für eine Sprache Bin Laden spricht. Warum ist eigentlich keine Talibanerin auf dieser Mailingliste? Natürlich, mir ist schon klar, warum, aber ich glaube, in diese Richtung muss es gehen. Und wer weiss, vielleicht ist gerade dieser Anlass eine Gelegenheit, in diese Richtung entscheidend vorwärts zu kommen. En passant: Ich würde es falsch finden, wenn diese Verbindung primär mit Solidarität mit Amerika/Bush zu tun hätte und tendenziell antimoslemisch wäre. Persönlich finde ich, ist zu bedenken, dass Amerika allein in all seinen Todesurteilen vermutlich ähnlich viel (oder mehr?) Menschen ums Leben gebracht hat (übrigens ungefähr zu 90% oder noch mehr Schwarze, soviel ich weiss), wie bei dieser Katastrophe jetzt gestorben sind. Und im Grunde genommen herrscht in Amerika auch der Fundamentalismus, einfach ein pseudochristlicher, wenn wir mal den Umgang mit Abtreibung oder Homosexualität ansehen, oder die Tatsache, dass es problematisch sein kann, in diesem Land als unverheiratetes heterosexuelles Paar reisen zu wollen. Die Weltverbindung, die wir brauchen, muss eintreten gegen jeden Versuch, anderen Menschen bestimmte Lebensstile aufzuzwingen, sei der Versuch talibanisch oder amerikanisch. Lernen als verschiedene Menschen in verschiedenen Kulturen so zusammenzuleben wie eine Blumenwiese mit da einem Löwenzahnfeld und dort einem Wiesenschaumgebiet, das könnte es sein. In der feministischen Theorie steht dafür das Differenzprinzip und in der traditionellen Ethik das Gleichheitsprinzip, was nämlich im Kern dasselbe ist: Das Nicht-Diskriminierungs-Prinzip. Pragmatisch hätte ich die Frage, welche internationalen Netze bereits bestehen, an die wir anschliessen könnten. Ich sehe: a) verschiedene Frauennetzwerke b) die Internationalität der verschiedenen Religionen c) die globalisierten Unternehmungen (warum eigentlich nicht?) d) ...? e) ...? Der Christliche Friedensdienst CFD macht schon lange solches, Amnesty International, Das sind so meine Gedanken, einfach mal spontan notiert (14.9.01)

 

Antje Schrupp: 

was ich besonders ekelhaft finde derzeit an der Berichterstattung über die Medien ist, wie schon zwei Tage nach der Katastrophe alle versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Am ersten Tag war noch bei allen die Betroffenheit sichtbar. Inzwischen ist längst wieder die Show in den Vordergrund getreten - Forderungen nach Einschränkung der Freiheitsrechte, mehr Geld für die Bundeswehr, Solidarität mit der US-Regierung, Abblasen der Einführung besserer Einwanderungsregelungen etc. D.H. wir müssen gar nicht warten, bis das Ereignis wieder aus den Medien verschwunden ist, denn als tatsächliches Ereignis ist es längst schon verschwunden und der Inszenierung gewichen. Ein anderes interessantes Phänomen, das mir auffällt: 40 Milliarden Dollar hat Bush jetzt, um "irgendwas zu tun". Das ist eine neue, um sich greifende Begründung für politisches Handeln des Westens, die wir auch schon in Bosnien und im Kosovo hatten: "Man kann doch nicht nichts tun". Also tut man irgendwas, das nützt zwar nix und schadet vielen, aber man (Mann?) hat wenigstens was getan. Vielleicht sollten wir mal deutlicher die Frage stellen: Warum soll man eigentlich nicht mal nichts tun können, wenn einem nichts gescheites einfällt oder man keine Möglichkeiten hat? Das Gefährliche ist, dass nun dieser Drang, doch irgendwas tun zu müssen zu glauben, nun wirklich sehr gefährlich ist. Die Attentäter hatten keine größere Logistik. Ich frage mich: Wie viele dieser Splittergruppen gibt es noch, die auf bereits ausgedachten Terrorplänen sitzen? Und was machen die, wenn Bush anfängt, Afghanistan oder Irak oder sonstwas zu bombardieren? Ich weiss nicht, ob ich zu ängstlich bin, aber ich hab schon irgendwie auch Angst, dass das nicht das letzte war. Und ich würde mir wünschen, alle würden mal nichts tun. Klar, dann haben die Terroristen gesiegt. Aber das tun sie sowieso. Mit Armeen kann man die nicht besiegen. Gestern sagte Scholl-Latour (was immer man von ihm halten mag) im Fernsehen, warum man Bin Laden und Hussein nicht längst umgebracht hat: Weil es im Westen keine Selbstmordattentäter gibt. Und wenn wir das gut finden, müssen wir zugeben, dass wir gegen solche Kampfformen kriegerisch nicht ankommen. Wer kriegerisch sein will, muss bereit sein, genauso konsequent vorzugehen, wie der Gegner, d.h. bereit zu sterben. Das Gefährliche im Moment ist, dass die USA kriegerisch sein wollen, aber eben nur so ein bisschen. Und das kann - irgendwo im Orient ganz sicher, wahrscheinlich aber auch hier bei uns - noch ganz viel mehr Tote geben. Und zwar, ohne dass dadurch der Terrorismus auch nur ein bisschen besiegt würde. Noch was. Die Position der Grünen ist: Die USA haben ein Recht auf Vergeltung, aber nicht auf Rache. Was ist der Unterschied zwischen Rache und Vergeltung? (14.9.01)

 

Ina Prätorius:

Eine Nachricht der Info-Liste von Attac Deutschland -- Liebe Freundinnen und Freunde, angesichts einer drohenden Eskalation der Gewalt hat sich Attac Deutschland einem Aufruf aus der Friedensbewegung angeschlossen. Das Attac-Büro unterstützt das Netzwerk Friedenskooperative nach Kräften. Heute, am Samstag den 15. September, erschien dieser Aufruf in der taz. In der kommenden Woche soll der Aufruf mit Hilfe von Spenden vieler UnterzeichnerInnen auch in anderen überregionalen Zeitung erscheinen. Deshalb bitten wir Sie/Euch: 1. Unterzeichnen Sie diesen Aufruf hier: http://www.gewaltspirale-durchbrechen.de/ oder senden Sie die Rückmeldung unten per E-mail an uns. 2. Unterstützen Sie die Veröffentlichung dieser Anzeige durch eine Spende auf folgendes Konto: Förderverein Frieden e.V. Kto.Nr. 33035 Sparkasse Bonn, BLZ 380 500 00, Stichwort: Gewaltspirale durchbrechen, (Spenden sind steuerlich absetzbar) (15.9.01)

 

Rosadora Trümper:

ein hindenken zu euch - zu allen menschen auf der welt-  gedanken stellen sich ein und verschwinden wieder. - heute, vier tage später, geht alles in mir in richtung angst vor einem krieg. krieg, weil die menschen, die rache und vergeltung wollen, nicht besser sind als die angreifer. sie sind nur 'ruhiggestellt' durch materielle abfindungen. sie leben von der macht, mit der macht und fühlen sich sicher. sicherheit können wir nur durch eines erlangen, wenn wir erwirken, dass es allen menschen auf dieser welt gut geht, wenn wir jedes leben achten und toleranz und wohlwollen in unserem herzen tragen. bush kann nicht sagen - ich bin/wir sind schwach, führt er doch eine politik der stärke. diese beiden phallen (fallen) will er wieder aufbauen, was doch wohl nichts anderes bedeutet, als dass er nichts - aber auch gar nichts - gelernt hat. amerika ist das stärkste und reichste land der welt und will es bleiben. sind das nicht die wahren terroristen? ich will auch keine 'solidarität' - uneingeschränkt, wie schröder das für deutschland sagt. ICH WILL KEINEN KRIEG, BASTA!! und nicht nur deshalb, weil ich zwei söhne habe, 36 und 38, (kriegsdienstverweigerer aus gewissengründen), sondern ich will frieden für alle menschen auf der welt, uneingeschränkt... '... guter gott von manhattan' - was würde ingeborg bachmann ihm heute wohl vorwerfen? der 'gute gott' als beschützer der bestehenden gesellschaftsordnung, wie sie ist und bleiben soll, steht vor gericht. ich würde heute gern  die menschen vor gericht sehen, die an bestehenden gesellschaftsordnungen festhalten, die an einen gott glauben, die ihm macht und ohnmacht ausliefern, ihn verantwortlich machen und selbst nichts tun, weil sie auf der positiven seite des lebens stehen. sie sind entbunden von der handlung und geben die verantwortung ab. ich verstehe diesen akt des christus, der in die welt gekommen ist, ganz anders. vor zweitausend jahren schon hat er mit seinem menschsein die verantwortung an die menschen gegeben, gezeigt, dass es keinen gott gibt, der hilft. der paradigmenwechsel hat da nicht stattgefunden und wird sich auch heute nicht ergeben, weil die menschen zu bequem und dumm sind. wir müssen tun,  aufklären und den verstand der menschen schärfen, wir müssen unsere üppige lebensweise ändern, aber insbesondere die wirtschaft muss abgeben, damit die dritte-welt-länder nicht herausfallen aus der weltenordnung. eine welt muss es geben - eine einzige. was nützt das gefasel vom 'einssein', von 'einheit'? welche 'einheit', wenn wir nur uns selbst meinen. ich werde die bilder nicht wieder los, sie übertragen sich auf meinen alltag. ich lasse ein glas mit wasser vollgluckern. der ton, den es macht, geht von hoch nach tief und ich sehe die flugzeuge auf die türme rasen... ich fülle malfarben in gläser - rote, gelbe, blaue - und sehe nur feuer, feuer, feuer... ich will eine kerze anzünden, einfach nur so, und mir kommen all die bilder, in denen menschen aus ohnmacht kerzen aufleuchten lassen... die bilder, sie sind alle gleichzeitig da. aus dem reden der menschen höre ich nur 'stich'worte - aber verstehen kann ich es noch immer nicht... (16.9.01)

 

Antje Schrupp:

ich werde morgen (mittwoch) Mittag von einer Journalistin für's Radio gefragt, was eine feministische Politologin zu all dem sagen könnte. Ihr war z.B. aufgefallen, dass im TV immer nur männliche Feuerwehrleute zu sehen sind und nur weibliche Opfer (tendenziell jedenfalls). Mir ist zu all dem unser altes Thema Aufräumen wieder eingefallen. Nach einer Woche sind erst 2 Prozent der Trümmer weggeräumt. Die Stadt New York verbietet kamerateams, die Zerstörung zu filmen. Das ist nicht gut für das Image des Stadt. Das, was nach dem Anschlag angeblich zu tun sei, war nach der Medieninszenierung der Einsatz von Helden zur Rettung von Opfern (tragische Bilanz: Fünf oder sieben lebend gerettete Menschen, dafür 300 gestorbene Feuerwehrleute). Was in Wahrheit zu tun ist (immer noch und noch lange, lange), ist das Aufräumen der Trümmer. Hatten wir doch schonmal, oder? Und dann ein anderes weiteres altes Thema von uns: Zivilisation. Was ist Zivilisation? Das Grundgesetz, die Börse, die Hochhäuser? Oder nicht viel eher das alltägliche Werk der Zivilisierung, in den Kindergärten, Küchen, Schulen, Büros usw.? Also wäre Zivilisation etwas, das innerhalb einer Gesellschaft/Kultur gleichzeitig vorhanden und auch nicht vorhanden sein kann. Wie sieht das mühsame Werk der alltäglichen Zivilisierung derzeit in Afghanistan aus? Wirklich, Christoph, es ist schade, dass hier auf der Liste keine Afghanin ist. Ich habe grade gelesen, dass es in Afghanistan per Gesetz nur noch einen Computer mit Internetanschluss geben darf, und an dem wird bestimmt keine Frau sitzen, fürchte ich. Weibliches Denken ist dem männlichen meiner Meinung nach derzeit an einem Punkt im Vorteil: Es hat größere Erfahrung im Umgang mit Ohnmacht. Es ist geduldiger, hat einen längeren Atem. Noch was? (18.9.01)

 

Birgitta M. Schulte:

ich bin Mitglied im Vorstand des Journalistinnenbundes. wir haben die ganze Zeit überlegt, ob und wie und wo wir kommentieren können, daß in der Berichterstattung - in den Bildern - wieder einmal die Frauen als Opfer vorkamen. Als Expertinnen für Flugsicherheit, Terrorismus u.Ä. waren sie anscheinend auch nicht vorhanden, sehr wohl aber als Kommentatorinnen und vor allem sehr stark als gute bis sehr gute Moderatorinnen sowohl im Fernsehen wie im Radio. Aber wie gesagt, die Eindrücke waren zu unterschiedlich, als daß wir öffentlich werden wollten. Wenn nun eine Radiofrau aufgrund dieses Eindrucks agiert, würde ich das gern den Mitgliedern des JB zur Kenntnis geben: Wann und wo bist Du zu hören? Kriegst Du einen Mitschnitt? 2. Ich habe leider anscheinend die mail gelöscht, in der Frauen (!) aus Afghanistan sich gegen die Kriegstreiberei ausgesprochen haben. Ich fand das sehr beeindruckend, sehr elaboriert. Es gibt Computer, an denen afghanische Frauen sitzen. Als Weiterleitung schicke ich Dir den Hinweis auf einen männlichen Afghanen. 3. Ich würde sehr gern von der Fachfrau für weiberwirtschaft ein paar Worte dazu hören, daß die ursache des Konflikts die weltweite soziale Ungleichheit ist, die globalisierte Weltwirtschaftsunordnung, und daß insofern nichts Aussagekräftigeres als die Türme des World Trade Centers getroffen werden konnten. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank wartet auf die Wiederherstellung der "weltweiten Arbeitsteilung" (18.9.01)

 

Sandra Robin:

Klicken Sie hier: "Indymedia Germany | Übersetz. der Erklärung afghanischer Frauen" hoffe der obige klicklink funktioniert, ansonsten gibts die erklärung der afghaninnen unter www.de.indymedia.org. (18.9.01)

 

Christof Arn:

Ja, ich sehe das auch so - und alle müssten viel weniger Angst haben, wenn mehr von Ohnmacht geredet werden dürfte. Lothar Böhnisch, Männerforschung vertritt die Position, dass die Männlichkeit als Strukturprinzip der Externalisierung begonnen hat, sich von den leibhaftigen Männern unabhängig zu machen. Vielmehr: Prinzipiell schon unabhängig davon geworden ist. Und diese strukturelle Männlichkeit besagt eben unter anderem, dass Ohnmacht nicht sei, sondern Behauptung durch Leistung, so würde ich Böhnisch weiter interpretieren. Was, wie Böhnisch schreibt, faktisch nur bedeutet, dass diese Struktur nur umso stärker "auf die steigende Elastizität der Reproduktionskraft und des Humankapitals der Frauen angewiesen ist". Was soviel heisst wie: Die Frauen räumen auf. Sie sorgen nach und vor. Das ist nichts neues. Jetzt hat aber Moritz Leuenberger, einer der sieben Schweizer Bundesräte in der Presse nach den Zerstörungen in den USA ausgerechnet über Ohnmacht gesprochen, über die Verletzlichkeit unserer Gesellschaft. Und hat gerade nicht mit Selbstbehauptungsappellen und dergleichen geendet. Auch die zahlreichen Mahnungen von Staatsmännern Europas gegenüber Racheakten, die in Europa geäussert wurden, gehen in eine ähnliche Richtung, wenn auch Leuenberger mehr in die Tiefe und zur Person ging. Während im Neoliberalismus sich also das Männlichkeitsprinzip von Leistung, Behauptung und pseudomoralisch legitimierter, alltäglich gewordener Rücksichtlosigkeit potenziert, diffundiert weibliches Denken offenbar in Politikerköpfe. Ist das Patriarchat eben doch im Grunde zu Ende? Jedenfalls: Deutlicher als der Neoliberalismus und die Zerstörungen in den USA kann wohl nichts die Untauglichkeit von Allmachtsmarktwirtschaft und Allmachtspolitik zeigen. Wenn ich mir nun überlege, wie die Ohnmacht an die Macht kommen kann, damit nicht mehr die Allmacht dort hockt, fällt mir "Zärtlichkeit" ein. Das wäre dann nicht nur weibliches Denken, sondern weibliches Handeln? (18.9.01)

 

Ina Prätorius:

ich stimme Dir zu: Wir haben hier zur Zeit einen Typen (SP) in der Regierung sitzen, der ziemlich viel nachgedacht hat, auch über Männlichkeit. In langweiligen Polit-Zeiten wirkt sich das manchmal so aus, dass er sich in aller Oeffentlichkeit kaum das Lachen verkneifen kann über die Jobs, die er zu machen hat. Das wirkt dann ganz glaubwürdig-unauthentisch, sehr spannend zu beobachten. Nach dem New Yorker Attenttat war das, was der Moritz L. per TV rübergebracht hat, auch für mich etwas vom Besten, was ich dazu gehört habe. Es wäre äusserst spannend, wenn er jetzt an der Stelle von George Dabblju sitzen würde. Uebrigens tue auch ich mein Möglichstes, dass die Stimmen der Frauen nicht ganz aus der Oeffentlichkeit verschwinden: Im nächsten PuFo wird was stehen (leider fürchterlich gekürzt), im Aufbruch (CH) und im Apfel  Wien). Auch auf eine politische Kundgebungsrede bereite ich mich gerade vor. Längerfristig, meine ich, sollten wir aus der jetzigen politischen Lage vielleicht tatsächlich den Schluss ziehen, dass das Weiberwirtschaftsdenken jetzt auch in den grossen Medien präsent werden sollte. Wir sollten den JournalistInnen, die dem Vorwurf, Frauenstimmen kämen zu wenig vor, jetzt wieder mit dem (vermutlich zutreffenden) Argument begegnen, Frauen seien oft einfach nicht zum öffentlichen Reden/Schreiben zu bewegen, den Wind aus den Segeln nehmen, indem wir von uns aus Texte an die Redaktionen der Grossen einschicken. Das bricht keiner einen Zacken aus der Krone, denn wenn die Texte abgelehnt werden (was mir schon mehrfach passiert ist), dann hab ichs wenigstens probiert und werde es wieder probieren. Mit den "Grossen" können wir dann souverän umgehen, wenn wir sie nicht mehr für die Grossen halten, und das trainieren wir ja seit einiger Zeit. FAZ und TV sind nicht mehr das Ziel aller Begehrlichkeit, aber halt existente Medien, die wir benutzen sollten. (19.9.01)

 

Rosadora Trümper:

Seit einer woche nun hocke ich wie gebannt vor dem fs und bemühe mich, etwas zu verstehen. und dann kam 'dazwischen' einer, der anders redete, ein anderes vokabular benutzte als alle redner (politik scheint männersache...), bei dem ich bereit war, hinzuhören - eben dieser moritz leuenberger, in der sternstunde philosophie und von der kanzel einer kirche. ich kenne ihn sonst nur aus der ferne - ich bin ja gastfrau in der schweiz. danach kamen auch von anderer seite immer mehr überlegungen zu einem anderen denken und handeln als bush es vorsieht. aber 'sieht' er denn überhaupt, wo er hin will? ich bezweifle das. vielleicht treibt ihn die zeit und die bedenken und das andersdenken der vielen anderen noch dazu, dass er seine ratlosigkeit zugeben muss. ich weiss gar nicht, ob ich das für ihn hoffe - eher für uns 'anderen', denn er ist mir als 'person und mensch' nicht gegenwärtig, einfach nicht vorstellbar. etwas roboterhaftes hat er an sich, gelenkt von weissichwoher... beim weinen verzieht er keine miene, überhaupt fehlt ihm die lebendigkeit im ausdruck und besonders im gesicht. er stellt sich auf einen trümmer'berg' vor die aufräum'kommandos' und spricht mit einem megafon zu ihnen, anstatt sich zu ihnen hin zu bemühen und ihnen in die augen zu schauen - auf 'gleicher ebene'. ich muss sagen, dieses hohle machtgehabe und die vielen wiederholten slogans gehen mir auf die nerven und lässt mich an den politikern und ihren fähigkeiten zweifeln, mehr und mehr. immer mehr denke ich, dass dieses unheil auch sein gutes hat - die menschen beginnen zu denken - hoffentlich für eine lange weile. es könnte ja zur gewohnheit werden... euch, antje und ina, wünsche ich gute gedanken. die öffentlichkeit muss wissen, was wir frauen denken und lasst uns daran teilhaben.(19.9.01)

 

Rosadora Trümper:

Christof und ihr frauen, zwischen deinen überlegungen und heute liegen so viele tage und noch mehr gedanken, lieber christof, dass sie sich stapeln zu bergen - und ähnlich dem chaosberg in manhattan erst abgetragen werden müssen... es ist tröstlich, dass sich hier und da (beiweitem nicht überall - ich hätte ein gegenbeispiel aus der umgebung von zürich, was schule anbetrifft...) unser leben so gestalten lässt, dass wir es 'gut miteinander' haben - deine worte. ich würde mir im grossen und auf die momentane situation übertragen dieses 'gute miteinander' ebenso wünschen, oder wenigstens, dass es etwas wäre, das für 'möglich' gehalten wird. dass wir es für möglich halten, dass sich dies in den köpfen der menschen festsetzt als guter, kreativer gedanke, wäre die voraussetzung dafür, dass es auch passieren kann. nicht mehr als dies wünsche ich mir in meinem leben, solange ich noch lebe... miteinander - nicht gegeneinander. noch immer verstellen mir die bilder und die makaberen, oft reisserischen berichterstattungen den weg zu den menschen, die direkt betroffen sind. ich habe noch kein einziges wort gehört darüber, wie sich um die 'hinterbliebenen' (ein wahnsinnswort), also die angehörigen der getöteten, menschen gesorgt wird. ein kleiner sechs jähriger junge weint bei der beerdigung seines vaters - ein zu herzen gehendes bild - und weiter? ob er je erklärt bekommt, was da geschehen ist, und ob das überhaupt jemand kann? wie lautet die wahrheit und welche? da legen sich mir über alles diese unzähligen fahnen der USA, stärke demonstrierend, zusammenhalt, einigkeit, und ein 'jetzt-erst-recht'  - oder geht mir da etwas durcheinander!!?? die usa scheinen noch vor gott zu kommen - oder ist usa gleich der liebe gott?! und ich sehe noch immer keine menschen, die ihre freiheit nutzend, ihre eigenen meinungen sagen. oder kann mann/frau in dieser situation nicht denken, was aber dann? lässt sich eine ganze nation schieben, hinein in die rache- und vergeltungspläne ihrer regierung? treibt sie ihr 'glauben' an einen gott und eine nation in die irre, in die unfreiheit? sind sie nicht längst unfrei, dem nationalen stolz, der (all)macht des profites und des immergegenwärtigen 'wir sind die grössten' unterworfen? einigkeit - ist das nicht auch etwas, das täuscht? sind verschiedene positionen, die auch zugelassen werden, nicht eine bessere möglichkeit des zusammenlebens, die im falle von 'gegenangriffen' nicht solche abartigen rachegedanken aufkommen lassen, die, das meine ich, gleichzusetzen sind mit den rachegedanken der terroristen?! wir müssen uns besinnen. aber das fällt schwer angesichts dessen, dass wir oft die eigene position nicht kennen, weil wir nicht gedacht, nicht nachgedacht haben. die 'freie welt' ist nun dazu aufgerufen. vielleicht war es gar nicht so schlecht, das................................... (19.9.01)

 

Home