Big Brother

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Anna Cardoso:

Da ihr zur Zeit nichts anderes diskutiert, trau ich mich jetzt doch, euch mit einem ganz blöden Thema zu kommen. Guckt Ihr manchmal big brother? Ich habe jetzt ein paar mal die Sendung angeschaut und mich dabei gefragt, ob so was wie die "Geschlechterdifferenz" dabei überhaupt noch eine Rolle spielt. Zwar ist es so, dass die Frauen knappere T-Shirts tragen und die Männer mehr Hanteltraining machen. Aber was wichtige Dinge angeht; Präsenz, Persönlichkeit, Auftreten usw., da sehe ich überhaupt keine Unterschiede mehr zwischen den Frauen und den Männern in diesem Haus. Macht denn da die Theorie, die hinter der Flugschrift steht oder auch die der Italienerinnen, überhaupt noch Sinn? Manchmal denke ich, wenn das die Jugendlichen von heute so machen, wie die Leute im bigbrother-Haus, dann spielt die Geschlechterdifferenz wirklich fast gar keine Rolle mehr, ist höchstens noch Dekoration, aber nicht mehr wirklich wichtig. Okay, vielleicht gucken das ja ein paar von euch auch und haben Lust, darüber zu diskutieren, weil es bringt ja nichts, wenn ich jetzt mit Beispielen komme aus den Folgen und keine kennt sie, hats ja keinen Zweck. (25.4.2000)

 

Antje Schrupp:

Ich geb's zu, ich gucke auch manchmal Big Brother. Nun könnte ich ja behaupten, das mache ich nur, weil - wie ich neulich irgendwo gelesen habe - das fast 40 Prozent aller 15-25jährigen jeden Tag tun und ich auf dem Laufenden bleibenden will, was so "angesagt" ist. Aber ehrlich gesagt, will ich inzwischen auch wissen, wie's weitergeht. Das zieht eine schon rein. Ich glaube jedoch nicht, dass die Geschlechterdifferenz im Big Brother-Haus keine Rolle spielt. Was du richtig beobachtet hast ist, dass da offenbar eine "symbolische Ordnung" am Werke ist, die behauptet, dass sie keine Rolle mehr spielen würde. Und zwar sowohl in den Köpfen der Bewohnerinnen und Bewohner, als auch in denen derjenigen, die die Ausschnitte zusammenschneiden, die uns abends in der Tageszusammenfassung präsentiert werden. Und das gelingt ihnen deshalb, weil alte Geschlechterkonflikte (wer kocht? wer putzt das Klo?) heute tendenziell verschwinden, es ist Konsens, dass das auch die Männer machen müssen. Die interessante Frage ist, welche Auswirkungen hat es auf die Gesellschaft, wenn da offenbar eine ganze Generation heranwächst, die in der Geschlechterdifferenz keine Bedeutung mehr sieht? Wobei es aber doch auch auffällig ist, wie Sabrina versucht hat, mit ihrer "mütterlichen" Art (Osterhasen verstecken, nette Reishäuflein auf die Teller drapieren), so etwas wie Harmonie in die WG zu bringen. Und die Heulerei von Alex, nachdem Kerstin das Haus verlassen hat (wie auch schon die Tatsache, dass sie es zusammen mit Manu verlassen hat und nicht bei Alex geblieben ist) war für mich eine schöne Manifestation für das Ende des Patriarchats. Aber um zu sehen, wie die Geschlechterdifferenz sich da zeigt, dazu müsste man im Haus leben. Nur mit den Kameraausschnitten sieht man das nicht, denn - und das ist ja das, was die "Italienerinnen" kritisieren - es in der gegenwärtigen symbolischen Ordnung die Tendenz gibt, die Differenz auszugrenzen. Und das ist dann eben das Ergebnis. (27.5.2000)

 

Susan Drye:

Hast du heute big brother geguckt? Da ging es die ganze Zeit um Frauen und Männer. Die Männer haben in der Küche gestanden und über die Frauen abgelästert, dass die nur dauernd untereinander intrigieren würden. Und später auf dem Sofa ging es dann weiter über den Krieg und ob Frauen Soldatinnen sein sollten. Und Verena war voll dagegen mit der lustigen Begründung, sie wäre doc gar nicht dazu geeignet im Schlamm zu robben und Sabrina hat dagegen gehalten, dass wäre doch alles Erziehung oder was. Also da ging es ja bezüglich "Geschlechterdifferenz" hoch her. (4.5.2000)

 

Gisela Meyer:

Ist euch schon aufgefallen, dass die mädels bis auf andrea bisher alle freiwillig aus dem bigbrother pappknast rausgegangen sind, während die jungs alle drinbleiben (9.5.2000)

 

Antje Schrupp:

Nun, zum Thema Ideen klauen - das, Gisela, hast du der Andrea aus dem Bigbrother-Haus abgeguckt, ich habe die Folge nämlich auch gesehen. "Die anderen Frauen sind ja alle abgehauen" hat sie gesagt und will deshalb jetzt grade drin bleiben - obwohl sie vielleicht auch lieber rausgehen würde. (10.5.2000)

 

Antje Schrupp:

Wir reden vom Ende des Patriarchats. Und heute lese ich in meiner derzeitigen Lieblingszeitung folgende Sätze (an verschiedenen Stellen) - Zynismus. Der ist out, niemand lässt sich noch durch Feinde seine kostbare Zeit rauben. - Das Verlangen nach Spaß siegte über das nach Feinden. - Das Jungfernsehen kommt ohne Feindbilder aus. Die haben wir in den Achtzigern weggelacht. Und auch da waren sie nicht echt, wir brauchten sie nur, um uns abzulenken. Wenn uns die eigenen Träume mal wieder zu sehr erschreckt hatten. - Mir gefällt das. Das ist nicht ironisch gemeint (die Sätze nicht und mein Gefallen daran auch nicht). Und jetzt gehe ich in unser sich schon voller Vorfreude füllendes Fernsehzimmer, Big Brother-Finale gucken. Denn: Du bist nicht allein! (9.6.00)

 

Ina Prätorius:

Hallo Antje und alle anderen, was ist denn das für eine interessante Lieblingszeitschrift? [Es ist "brand eins"] Gerade komme ich vom Grillen aus der Gartenwildnis meiner Freundin. Sie (und ihr diverses Jungvolk) hat es zwar sehr genossen, wieder mal draussen die Wurst zu essen. Aber dass Big Brother nicht mehr ist, das fanden sie alle doch fast zum Heulen. Dieser Grosse-Bruder-Spass ist mir persönlich entgangen. Aber ich werde mir jetzt als Entschädigung die christlich-vernünftig--kritischen Gedanken zum Thema "Abenteuer Alltag" (so heisst Big Brother im Sonntagsblatt) zuführen. Das Thema der nächsten ESWTR-Konferenz (Europäische Theologinnenvereinigung), so ist aus Wien zu vernehmen, wird lauten: "End of liberation? Liberation at last!". Es stimmt, dass auch ich das von vielen rechtschaffenen ZeitgenossInnen kritisch, sorgenvoll und womöglich missgünstig beäugte Zustimmen zum Spasshaben derzeit als sehr viel befreiender (und "gesünder") empfinde als das unendliche Reden von (struktureller, theologischer...) Befreiung, das uns jahrelang beschäftigt hat. Aber immerhin ist es noch notwendig zu betonen, dass "wir das nicht ironisch meinen." Und wenn zum Beispiel Dorothee Sölle in Hamburg Gisela Matthiae oder Willy Spieler in Zürich mich fertig macht, weil wir "der Verführung des Neoliberalismus blind aufsitzen", dann muss ich einerseits lachen, andererseits... Ich weiss nicht, das Ganze ist spassig, aber zum Glück doch nicht allzu unmittelbar. Jedenfalls brauche ich auch meine Schweige- und Bet-Unterbrechungen, um glücklich zu sein, und dies, zum Beispiel, kann meine Tochter nicht verstehen weil sie Spass ohne Ende will und dann manchmal ganz schön schlechte Laune kriegt, wenn das dann doch nicht ganz hinhaut.  Spass plus diszipliniertes Denken plus noch etwas anderes, diese Verbindung bringts zur Zeit für mich. (10.6.00)

 

Claudia von den Choras:

Ich interpretiere diese hohe Wertigkeit des Spass-habens als Kriterium des Wohlbehagens, ein Kriterium, das ich dem Denken der Italienerinnen entnommen habe und für meine persönliche Lebensgestaltung besonders wichtig ist. Das eigene Wohlbehagen in der Welt als Maßstab zu setzen hilft natürlich auch zu überprüfen welche der "Pflichten" tatsächlich dem dazu Notwendigen dienen und wo etwas geänderr werden muß. Tatsächlich fühlen sich die Zusammenhänge in denen ich (nicht dauernd aber meist) Spass habe für mich lebendiger an und reagieren leichter und flexibler auf Veränderungen. Fehler und Abschweifungen sind dort Teil des kreativen Handelns. (18.6.00)

 

Antje Schrupp:

Ja, genau, wobei natürlich das Wort "Spass" ein provokatives ist. Wenn wir von "Begehren" oder "Wohlbehagen" reden, dann ist das ja allgemein akzeptiert. Gegen die "Spassgesellschaft" aber schreiben ja derzeit die ganzen besorgten Feuilletons an, die nicht verstehen, warum die Jugend nicht mehr demonstrieren geht, sondern vor einem Container Big Brother-Parties feiert. "Nur Spass haben wollen" wird als absolut negativ gesehen. Und was ich mit meinem Statement - über den philosophischen Background der DIOTIMAS hinaus, möglicherweise - sagen wollte ist, dass es eine Verbindung gibt zwischen diesem Denken und dem, was die sogenannte "Spassgeneration" da so treibt. Keine konfliktfreie vielleicht, aber eben doch eine Verbindung. Vielleicht sollte man darüber mal nachdenken: Wo wird Spass oberflächlich? Wo peinlich? Verlogen? Und wo ist er ein wichtiger Seismograph? Kann man das unterscheiden? (19.6.00)

 

Fidi Bogdahn:

ich muß mal was zu meinem eigenen Spaß hier runterschnoddern. Schade, dass es im Betreff so doppelkopfisch zugeht, und nicht dem Thema angemessen Ha: Ha: Ha:..... Überhaupt weiß ich manchmal nicht, wo der rote Faden hier bei den mai(d)ls ist, und dass so wenige Frauen schreiben, und ich seit Wochen auf die bestellte Flugschrift warte, -ob sie sich verflogen hat... So blödle ich also mit vollem Alibi weiter. Und damit wäre schon ein ernsthafter Beitrag angedeutet, denn ich vermag wider besserem Wollen nicht mehr so zu theoretisieren -ohne dass ich mich oder/und andere auch ein wenig zum Lachen oder wenigstens Schmunzeln, gar zum Freuen bringen kann. "Spaß haben" in diesem Sinne, dass er alles aber auch alles durchströmen kann...ja, das lockt mich an! So habe ich vorhin arg "Spaß" gehabt (..das ist wirklich ein Wort, das ich für mich bisher wenig bis gar nicht benützt habe. Ich habe so viele differenziertere Worte für die unerschiedlichen Situationen).... als ich in einem Artikel (der GEW) "Das Leben ist immer anderswo" über Zeit... gelesen habe, besonders einer Paradoxie im Leben von W.A.Mozart. Dort steht, dass ein Notenkopist heute 99 Jahre bräuchte, um alle von Mozart geschriebenen Partituren abzuschreiben. Mozart hat kaum 30 Jahre komponiert, täglich einige Stunden Karten und zusätzlich anderes gespielt, und abends Theater etc. Früh ist er wohl aufgestanden..., na und ! -ist das nicht spaßig zu lesen, wo wir so tierisch ernst mit der "Zeit" umgehen? Der Autor schreibt weiter: "....das Spielen hat eine starke Wechselwirkung. Es ist, als würde im Spiel Zeit entstehen und keine Zeit verbraucht. Es bringt Gegenwart hervor." Das Ei und das Huhn und das Ei... Also war doch das Huhn zuerst, also das "Spielen, der Spaß" und dann flutsch.. so einfach mal am Morgen das Mozart` Ei bzw. die Flöte gezaubert..., irgendwie rum war es. Vielleicht hätte ich die Flugschrift auch zuerst lesen sollen und dann erst bestellen, vielleicht wäre sie dann früher gekommen. (19.6.00)

 

Ksenija Auksutat:

Also, gerade muß ich von Berufs wegen ein paar Beerdigungen leiten. Und da bekomme ich ja die Lebensgeschichten von wildfremden Menschen zu hören. Ich frage die Angehörigen immer, wann der oder die Verstorbene glücklich war. Und ein  Leben scheint immer dann glücklich gewesen zu sein, wenn es keinen Ärger gab, keine Konflikte. Und Spass gemacht hat den meisten, wenn sie etwas für ihre Kinder tun konnten, oder von den Kindern etwas mitbekommen haben, was die so in ihrem Leben gemacht haben. Wenn da mal etwas lustvolles, spassiges anklingt, dann werden die Verwandten eigentlich verlegen. Das ist wie peinlich. Das mag an der Generation liegen (die sind ja meist 60+). Aber was auch deutlich wird: Materiellen Besitz anschaffen und haben - das macht allen Spass. Wie hängt eigentlich materielle Sicherheit mit dem Spasslevel zusammen? In Deutschland sind viele reich aber unwitzig, in Brasilien sind viele  arm, aber haben viel Spass. (20.6.00)

 

Ina Prätorius:

Dorfgedanken zum Thema Spass: Jetzt, bei diesem Wetter, sind die Bauern und Bäuerinnen in meinem Dorf wieder am Heuen. Ob ihnen das Spass macht, fragen sie sich nicht, denn Heuen muss man, wenn das Wetter danach ist. Heute, wo das Heuen in einem Bruchteil der früheren Zeit mit dem Traktor zu machen ist und man das Gras oft nicht mehr an der Sonne, sondern im Heutrockner trocknet, fragen sie sich immer noch nicht, ob es Spass macht. Sie sind seit Generationen drauf gepolt, dass man Dinge tut, weil sie notwendig sind. Wenn die Dinge jetzt viel schneller gehen (Melkmaschine, Fütterungsautomaten, Näh- und Mähmaschinen...) ergeben sich aus dieser nahezu unwandelbaren Einstellung zum Leben echte Sinnkrisen. Was notwendig ist, ist nicht mehr deutlich zu erkennen. Aber wenn man nur tut, was notwendig ist, dann definiert man halt die ganze Welt als Notwendigkeit, und das wird oft richtig absurd. Das Problem dabei: es gibt trotzdem immer noch Notwendigkeiten (Die Kühe müssen auch gefüttert werden, wenns per Knopfdruck geht). Wie unterscheidet man also zwischen wirklichen und falschen Notwendigkeiten, und wie fängt man aus einer solchen Welt heraus an, das eigene Wohlergehen zum Mit-Massstab zu machen? Kürzlich war meine Tochter einige Tage bei einer Freundin zu Besuch, die mit Eltern und fünf Schwestern auf einem Bauernhof lebt. Am Schluss dieser Kurzferien sagte die Freundin zu meiner Tochter: "Bei dir fängt jeder Satz an mit: Ich habe (keine) Lust zu...". In dieser Familie ist das Wort "Lust" nahezu unbekannt, "Spasshaben" als Wort ist höchst verdächtig, was aber, wenn ich mir die Kinder so angucke, ganz sicher nicht heisst, dass die keinen Spass haben... (Meine Tochter hat sehr oft "Lust", zu den Bauern zu gehen.) Wie verhalten sich also Lust und Spass zur Notwendigkeit bzw. zur Kultur der Notwendigkeiten? (21.6.00)

 

Ina Prätorius:

heute fand ich auf dem Frühstückstisch auf dem Titelblatt unseres Samstag-Magazins die Ankündigung eines Portraits von einem Londoner DJ unter diesem Titel: MEHR OPIUM FUERS VOLK! Solche Verdrehungen, Neu-Setzungen, Witzungen von ehernen Ernsthaftigkeiten der Vergangenheit sind symptomatisch für mein Jetzt-Gefühl in dieser Zeit. Ich finde das Gefühl, das mich bei solchen Respektlosigkeiten versteinerten Autoritäten gegenüber immer anwandelt, sehr interessant: Erleichtertes Lachen, verbunden mit einem kleinen bisschen Aengstlichkeit, und vor allem diese gespannte Offenheit: Was wird wohl als nächstes passieren? Irgendwie verstehe ich die älteren Herren und Damen, die derzeit so viel den Kopf wiegen müssen über die Spass-Generation. Aber ich bin doch froh, dass ich nicht zu den KopfwiegerInnen gehöre, meistens. (24.6.00).

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