Autorität und Amt

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Verwandte Site: Das männliche Imaginäre

                          Angela Merkel und Co.

 

 

Ina Praetorius:

Was ich faszinierend finde, ist dieser Gedanke, dass die schwache Vertretung von Frauen in der offiziellen Politik nicht mehr mit ihrer "mangelnden Kompetenz", sondern mit dem Schaden begründet wird, den das männliche Imaginäre dadurch erleidet (S. 43f). Aus diesem Gedanken würde sich eine total andere Strategie für Frauen ergeben, die "politische Karriere" machen wollen als die bisherige, die v.a. auf "mehr Kompetenz" beruht. Was ich in diesem Zusammenhang hochinteressant finde, ist die Art, wie die neue Bischöfin von Hannover öffentlich auftritt, überhaupt das Amt der Bischöfin. Es bietet mehr Möglichkeiten, als Person mit Autorität zu agieren als die normalen politischen Ämter. Stimmts?

 

Antje Schrupp:

Ich finde in der Tat auch diese These mit dem männlichen Imaginären (obwohl ich diesen Ausdruck nicht mag, weil er nicht verständlich ist) eine der besten der Flugschrift. Die Frage ist nur, welche Strategie dagegen vorzunehmen ist. Sicherlich ist es so, dass das Anhäufen von immer mehr Kompetenz nicht die richtige ist, und das spricht sich ja auch langsam rum. Eine gute Strategie finde ich schonmal, das auszusprechen. Mir ist da der Satz von Luisa Muraro eindrücklich gewesen, dass durch ein solches Verhalten der Männer die Politik langsam die Bedeutung von Fussball annimmt - sie hat für Männer eine ganz andere Bedeutung als für Frauen, die sich das zwar auch mal anschauen, aber nicht so wichtig nehmen. Nicht verstehe ich, warum so eine Bischöfin daran was ändern soll. Irgendwie habe ich eher den Eindruck, dass sie bislang vor allem als Dekoration dient, so nach dem Motto, guck mal wie toll die Kirche ist, dass sie sowas macht. Ausserdem erscheint sie mir eher als Superweib mit vier Kindern und Karriere und allem. Ob sie etwas verändert und nicht nur der Beweis dafür ist, dass auch Frauen bei uns was werden können, muss sich erst noch zeigen, finde ich.

 

Ina Praetorius:

Deine Reaktion auf die Bischöfin-Thematik enthält für mich drei stereotype Reaktionsmuster, die ich neuerdings zu vermeiden suche, nämlich: 1) Misstrauen/Vereinnahmungsthese: "Die Kirche will ja nur..." 2) Klischee/Schubladisierung: Powerfrau... 3) Distanz/vornehmes Abwarten: "Sie soll erst mal beweisen..."Alle drei Reaktionsmuster sind natürlich irgendwie berechtigt, aber ich meine, dass sie uns nicht weiterbringen, wenn wir die Thematik der weiblichen Autorität ernstnehmen. Ich meine, eine Frau wie Margot Kässmann braucht gerade unseren Vertrauensvorschuss, um etwas "beweisen" zu können (was eigentlich?). Ich bin bereit, ihr zuzutrauen, dass sie in eigener Verantwortung weibliche Autorität in einem guten Sinne in dieses Amt einbringt. Was bringt Misstrauen, Abwarten, Schubladisieren?

 

Antje Schrupp:

Hi, Ina - Zu deinen drei Einwänden bezüglich Bischöfin gebe ich dir völlig recht in jeder Hinsicht. Meine Skepsis bezieht sich auch gar nicht auf Margot Kässmann (uebrigens weiss ich, dass sie auch schon eine Flugschrift geschenkt bekommen hat), sondern auf das Bischofsamt. Was ich bezweifle ist, dass heutzutage in diesem Amt noch religiöse Autorität angelegt ist, wie du schreibst. Wenn ich darauf warten will, dass sie da erst noch was beweisen muss, dann meine ich nicht, dass sie beweisen muss, dass sie frauenmäßig was macht, sondern dass sie beweisen muss, dass sie aus diesem ziemlich müden und abgehalfterten Amt was macht. Einem Amt, nach dem gesellschaftlich doch kein Hahn mehr kräht (und auch keine Henne). Etwas enttäuscht von ihr war ich übrigens auch, als sie diese der-Sonntag-muss-freibleiben-Kampagne der Ev. Kirche so protegiert hat. Das ist doch so banal. Das einzige Thema, zu dem die Evangelen eine einheitliche Meinung zustande bringen. Also meine Skepsis bezieht sich auf die Kirche, vermutlich spielt da viel Frust als Insiderin eine Rolle.

 

Ina Praetorius:

Meine These: nach dem Bischofsamt krähen viele Hennen, sobald es von Frauen besetzt ist. Alles andere wäre Zustimmung zu dieser bescheuerten These, dass Frauen Ämter erst dann übernehmen dürfen, wenn sie bereits nichts mehr wert sind. Ein gewisser Herr Huber, z.B. hat freiwillig das Professorenamt gegen das Bischofsamt eingetauscht, weil er genau dies wiederherstellen will, an das er noch glaubt: religiöse (statt der allmählich sich selbst abhalfternden wissenschaftlichen) Autorität. Das finde ich clever, obwohl ich diesen Herrn gar nicht mag. Und jetzt redet er und redet, sobald man ihn reden lässt, und das ist auch clever. Er glaubt nicht an die Rede von der Bedeutungslosigkeit des Religiösen in einer "säkularisierten" Gesellschaft, und eben dies sollten wir auch nicht tun.

 

Antje Schrupp:

Ich möchte die von Ina aufgegriffene Diskussion um Frauen in politischen Ämtern noch mal weiterführen, bei der wir dann so in die Kässmann-Frage abgeglitten sind: Welche politische Strategie können Frauen einnehmen, wenn der Zugang zu Ämtern nicht mehr eine Kompetenzfrage ist und sie deshalb ferngehalten werden, damit sich das männliche Imaginäre nicht beschädigt fühlt? Ich denke, das Entscheidende ist hier, dass wir tatsächlich über die Bedeutung von Ämtern nachdenken müssen bzw. unterscheiden, welche Ämter man braucht um welchen Einfluss ausüben zu können, und welche man den Männern getrost überlassen kann (wie den Fußball, ich finde den Vergleich schön passend). Diese Diskussion führen wir ja auch schon, bloß sind wir uns oft ihrer Bedeutung nicht bewusst. Zum Beispiel wird sie unter Katholikinnen geführt bezüglich Priesterweihe: Die Frage ist tatsächlich die, ob Ämter wie Papst, geweihter Priester etc. es wert sind, dass frau sie anstrebt, oder ob wir sie gewissermaßen zu einem Spielfeld für das männliche Imaginäre werden lassen. Denn: Ämter und Gremien, die nicht genügend Frauen in ihren Reihen aufweisen, verlieren an Relevanz, daher der Einsatz auch der Etablierten für die Quote. Wir müssen uns also darüber klar werden, dass das Wegbleiben von Frauen aus bestimmten Kreisen etwas über deren Wert aussagt. Soweit die politische Seite der Frage.

Eine andere Ebene ist die, was eine Frau individuell macht, die dieses oder jenes Amt will. Sie kann entweder auf Konfrontation gehen (Quoten einklagen, Diskriminierung anprangern etc), oder sie kann sich in das männliche Imaginäre einpassen (als Alibifrau, Schülerin von etc.). In jedem Fall hat sie, glaube ich, weniger Aktionsrahmen, als die Männer um sie herum. Jedenfalls ist das meine Erfahrung: Männer in sogenannten "Führungspositionen" können eher was verändern, "revolutionär" sein etc. Mir ist es z.B. schon passiert, dass meine Vorschläge in Gremien abgewiesen wurden, während dieselben Vorschläge wohlwollend aufgegriffen wurden, wenn sie ein Mann vorbrachte. Ich glaube das hängt auch mit dem männlichen Imaginären zusammen: Ich bringe es schon durch meine Anwesenheit als Frau in Gefahr, der männliche Kollege nicht. Ich persönlich habe mir deshalb die Strategie ausgewählt, nicht mehr in Führungspositionen zu gehen, sondern lieber frei zu arbeiten oder in mittleren Positionen. Wenn ich z.B. als freie Journalistin Manuskripte einschicke, dann bin ich ja nicht als Frau körperlich anwesend, und ich habe deshalb mehr Chancen, meine Geschichten "an den Mann zu bringen" (haha), als wenn ich in einer Redaktionskonferenz sitze. Die beeinflusse ich inzwischen lieber indirekt, indem ich mit männlichen Kollegen diskutiere und so ihnen einige Gedanken nahe bringe, die sie dann in die Konferenzen einbringen - meist in der Tat mit Erfolg. Wenn ich z.B. mit sarkastischen Kommentaren zu diesem oder jenem durchs Büro laufe, beeinflusse ich meinen Chef mehr, als wenn ich mit einem offiziellen Posten ausgestattet wäre, denn als kleine Angestellte muss er vor mir ja keine Angst haben (bildet er sich ein). Und mich kostet das Ganze auch viel weniger Kraft. Anders Beispiel: Voriges Jahr machte der hr eine Sendereihe, in der sie fast nur Männer zu Wort kommen ließen (das Thema war auch entsprechend, ich habs schon vergessen). Als sie mich dann als Autorin gewinnen wollten, habe ich gesagt, zu solchen Männerproblemen würde mir nichts einfallen, und es wäre ja bestimmt kein Zufall, dass sie sonst nur Männer gefragt hätten. In diesem Jahr haben sie sich prompt ganz von selbst auf die Suche nach Frauen (und nach einem interessanteren Thema) gemacht. Wenn ich selbst in der Redaktionskonferenz sitzen würde, wäre daraus sicher wieder so ein typischer Emanzenkampf geworden. 

 

Ina Praetorius:

Was ich an Deiner Argumentation besonders interessant finde, ist die Frage nach der persönlichen Präsenz, die tatsächlich oft etwas sehr Anstrengendes ist (Hinfahren, am Bahnhof rumwarten, enge angemessene Kleider anhaben, in Sitzungen rumhängen und warten, bis die anderen fertiggeredet haben, small talk machen, auf Verspätete warten...) und den wachsenden Möglichkeiten, sich anders bemerkbar zu machen. Zum diesen anderen Möglichkeiten gehört natürlich ganz prominent das, was wir hier machen: das Internet. Für mich verändert sich durch die Cyberkommunikation ganz entscheidend der häusliche Bereich, den wir als Feministinnen gängigerweise als Isolation, als Einengung etc. definiert haben. Allerdings habe ich auch schon längst vor Internet festgestellt, dass z.B. die berühmte Begrenzung durch ein Baby auch eine Kehrseite hat: wie oft war ich, als meine Tochter noch klein war, heilfroh, sie als Argument nutzen zu können, um nicht dauernd in diesem oft sehr langweiligen und symbolisch überbewerteten draussen präsent sein zu müssen. Heute erfüllt teilweise meine Krankheit diese Funktion... Ein schlagkräftiges Argument, nicht dauernd rauszumüssen, ist oft sehr nützlich und entpuppt sich als eigenständige politische Strategie raffiniert gewählter (Nicht-)Präsenz, die keineswegs einen Mangel an Einflussnahme bedeuten muss...

 

Ina Praetorius:

Gestern habe ich mir diese ganze CDU-Geldaffäre, die ich wochenlang kaum zur Kenntnis genommen hatte, via Presseklub, Nachrichten und Sabine Christiansen konzentriert zu Gemüte geführt. Ja das ist ja geradezu klassisch, was da läuft, wie das Patriarchat sich selber zugrunderichtet, wie das Geschlechterthema ständig ungenannt im Raum schwebt (zum Glück ungenannt, weil: sonst würds platt, und das ist ja gar nicht nötig.), wie die Frauen punkten und trotzdem noch alle nach dem grossen Mann Ausschau halten (Roman Herzog? Oder wer?), der den Karren aus dem Dreck ziehen könnte, während Merkel, Däuble Gmelin, Christiansen u.a. schon kräftig dabei sind, die Demokratie oder was von ihr noch geblieben ist, neu zu konstruieren. Diese Angela Merkel, die fand ich ja bis jetzt ätzend oder auch langweilig. Ist sie aber gar nicht. Sie schafft, was die anderen nicht schaffen: sie thematisiert das Ganze als eine Krise, die nicht nur die nächsten Wahlergebnisse der CDU gefährdet, sondern die Chance zu einer neuartigen Konzentration auf das "Allen Gemeinsame" (Arendt) in sich birgt. Ich finds spannend, lehne mich zurück in meinem Sofa, warte ab und weiss irgendwie schon, was passieren wird, frage mich vor allem, wie genau es passieren wird. Vielleicht sollten wir uns ja mal in den Chat einklicken, der bei Sabine Christiansen zum Thema läuft?

 

Anna Cardoso:

Was wird mit der CDU-Affäre passieren? Ich habe das nicht verstanden, was du da schreibst ...

 

Antje Schrupp:

Ja, die CDU - gestern kam Kohl sogar hier in den Nachrichten. In einem Berg von Schlamm würde er versinken. Das mit den Korruptionsaffären ist so eine Sache. In Hessen haben sie uns vor einiger Zeit eine gute Ministerin mit solchen Korruptionsvorwürfen weggefegt (angeblich soll sie eine zu teure Wohnung gemietet haben oder sonst was banales, ich hab die Details schon wieder vergessen). Aber es ist unbestreitbar so, dass man den Frauen mehr Aufrichtigkeit zutraut und dann aber auch erwartet. Der Skandal ist heutzutage eine mächtige Waffe. Und da müssen die Damen Merkel, Däubler-Gmelin etc. sehr gut aufpassen, denn irgend eine falsche Reiseabrechnung lässt sich sicher auch bei ihnen finden.

 

Ina Praetorius:

Jemand hat gefragt, wie ich das mit der CDU meine. Also ich meine, dass diese ganze Affaire zeigt, wie sehr am Ende das ist, was sich Politik nennt, aber keine Politik ist. Diese Mannen haben jahrelang Law und Order hochgehalten, andere zur Rechtschaffenheit angehalten, SozialhilfeempfängerInnen diffamiert, die staatliche Leistungen "missbrauchen", bürgerliche Tugenden gegen Linke, Grüne, Frauen, Ossis etc. verteidigt. Und was steckt dahinter? Schmiere. Dass jemand Geld hintenherum schaukelt, finde ich noch relativ  normal. Aber dass er vorne herum behauptet, dass nur die anderen so schlimme. Was ich meine, ist dies: ich sitze auf meinem Sofa, gucke erfreut zu, wie die Herren einander oder sich selbst zerfleischen und hoffe, dass Frauen - egal welcher Parteizugehörigkeit - oder meinetwegen auch kluge Männer in das Ganze hinein den Anfang der Politik setzen: die Frage nämlich, wie wir das uns allen Gemeinsame eigentlich gestalten wollen. Es gibt Ansätze dazu, vorerst werden sie im Mediengetümmel niedergeschrien. Also bleibt mir nichts anderes als drauf zu warten, dass sowas wie ein Vakuum entsteht, das vernünftige Menschen ganz bedächtig ausfüllen werden. Zugegeben: es gibt nicht viele Präzedenzfälle für das, was ich mir wünsche. Aber die Geschichte wiederholt sich auch nicht einfach.

 

Antje Schrupp:

Ich frage ich mich ja, ob du nicht  allzu optimistisch dabei bist. Ist nicht Korruption das, was wir eigentlich schon immer von Politikern erwarten? Allerdings kann ich das hier aus der Ferne nicht so beurteilen, vielleicht ist es diesmal ja tatsächlich etwas qualitativ neues.... Warst du übrigens bei Christiansens Chat? Wann und wo ist der denn?

Anna Cardoso:

Glaubst du denn wirklich, dass die Frauen besser sind, wenn sie in die Politik gehen? Oder hatten sie vielleicht nicht nur bisher nicht so viel Gelegenheit zum Beschiss?

 

Ina Praetorius:

Also Anna: es geht mir überhaupt nicht drum, ob Frauen "besser" sind. In welchem Sinn auch? Im Sinne von natürlichen Eigenschaften, gelernter Moral oder was? Es geht mir drum, wer so klug sein wird, aus dieser Situation, in der das Korrupte der herkömmlichen (Nicht-)Politik (als SYSTEM, dies zu Antje) wieder mal offen zutagetritt, etwas Gutes zu machen. Das Gute wäre: der Anfang der Politik. Im Prinzip ist es irgendwie egal, ob das eine Frau oder ein Mann sein wird (vgl. mein mail zum Schweizer Verkehrsminister), aber ich glaube, es wird eine Frau sein. Nicht, weil die Frauen "besser" sind (wie oft muss frau das eigentlich noch betonen?), sondern weil sie als Neulinge in der (Noch-nicht)Politik (dem "offiziellen" Parteiengedöns) besser sehen können. Klar?

 

Antje Schrupp:

Also irgendwie geht es ja um das Thema "das Patriarchat ist zu Ende" und darum, was das heißt. Du, Ina, meinst nun, es würde deutlich in der Korruptionsaffäre der CDU und sicher ist das ein ganz besonders schönes Beispiel dafür, wie die alten patriarchalen Institutionen sich selbst diskreditieren, wie sie zu Ende sind. Die Frage ist nur, was kommt an ihrer Stelle? Denn, wie die Italienerinnen im roten Sottosopra zurecht betonen, ist das Ende das Patriarchats mehr noch als ein Grund zur Freude ein Grund zur Besorgnis. Du sitzt nun also in deinem Sofa und hoffst, dass die Damen Politikerinnen aktiv werden und sozusagen eine "gute" Politik in den alten Institutionen beginnen. Ich dagegen glaube nicht, dass es die Politikerinnen sind, von denen wir uns etwas zu erhoffen haben. Deshalb finde ich es auch unangemessen, wie du Anna abbügelst, wenn sie die Frage stellt, ob Frauen besser sind als Männer. Es genügt ja nicht, zu sagen, dass sie natürlich nicht besser sind, denn das Entscheidende ist ja, dass sie besser sein müssen, damit wir das Ende des Patriarchats überstehen, damit wir etwas an dessen Stelle setzen können. Die Frage ist also: Sind Politikerinnen besser als Politiker? Dein Argument ist, ja, weil sie da Neulinge sind und besser sehen. Das stimmt sicher, aber ich halte es für irrelevant. Das alte System Politik ist zu stark. Ich habe in einem meiner früheren Mails ja schon mal von der Beobachtung geschrieben, dass in diese Institutionen unkonventionelle Männer eher eine Chance haben als unkonventionelle Frauen. Hier im TV läuft zur Zeit eine neue Serie, eine Geschichte aus der Zeit vor 500 Jahren. Drei Frauen kommen aus Portugal nach Brasilien, eine Hure, eine schöne Blonde, die zur Heirat versprochen wurde, und eine konvertierte Jüdin, die einen scheinheiligen Ekel heiratet, um ihren Vater vorm Scheiterhaufen zu retten. Dann gibt es noch eine Indianerin, eine Kriegerin, die immer in Männerkleidung herumläuft etc. Das Drehbuch ist von einer Frau nach dem Roman einer Frau geschrieben. Die weiblichen Hauptrollen bedienen keine Klischees. Die Kriegerin wird schwanger, die schöne Blonde erweist sich als sehr willensstark, etc. Die Männer dagegen sind eher klischeehaft: Der Böse ist immer böse, der Held ist immer mutig, der Märchenprinz ist immer edel etc. Die Serie ist der größte Erfolg seit langem. Ich glaube, der Grund ist, dass sie sich mit echten Themen beschäftigt (kulturelle Identität, Kinder kriegen oder nicht, Verhältnis von privat und öffentlich, Lüge und Aufrichtigkeit, Religion und Wissenschaft, etc. - die Themen der Frauen sind die echten Themen) und nicht mit diesen merkwürdigen Männerproblemen von Ehre, Geld, Macht, um die es in Filmen so oft geht. In der CDU-Affäre sehe ich nur ein Zeichen für das Ende des Patriarchats. In dieser Fernsehserie (und darin, dass sie solchen Erfolg hat) finde ich schon Anzeichen dafür, was danach kommen wird (und schon kommt).

 

Ina Praetorius: 

Schön und gut, diese Fernsehserien, solche gibts ja schon viele (Cosby, Golden Girls, Marienhof...). Was mich nervt ist, dass Millionen von Leuten diese Sendungen sehen, aber keineR kommt auf die Idee mal schlicht in einer dieser vielen Publikumsbefragungen und Talkshows (im Moment läuft grad mal wieder eine bei Baden-Württemberg) einfach zu fragen, was Kohls Ehrenwort damit zu tun hat, dass er ein Mann ist. Im Vorwort zu meinem neuen Buch steht, dass das Patriarchat zu Ende geht, seit es existiert. Kick Dir doch mal Theaterstücke aus dem sechzehnten Jahrhundert an (aus der Zeit, als die Fugger grad ihr Finanzimperium am Aufbauen waren...). Da sind auch die wirklichen Themen das Thema. Ja und? Schert das den Fugger? Oder den Luther? Oder der Egck? Oder wie sie alle hiessen? Kulturproduktionen als das Kommen der wahren Politik aufzubauen, das bringts nicht. Ich will nicht behaupten, dass ich da doch lieber auf die Merkel vertraue. Aber warum die Übertragung der wirklich interessanten Themen aus dem Kulturbetrieb in die "politische" Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert besser klappen soll als im sechzehnten, das will mir nicht recht einleuchten. Weil die Frauen heute auf allen Bühnen tanzen? Vielleicht, ja.

 

Antje Schrupp:

Die Frage ist doch die: sollen die Frauen dahin, wo die Männer sind (Fußballplatz, Parlament), und es da besser machen, oder sollen die Orte, wo Frauen sowieso sind, mehr Bedeutung bekommen (Fernsehserien)? Am Ende unserer Arbeit an der Flugschrift haben wir lange über das "männliche Imaginäre" diskutiert, ohne damit richtig fertig zu werden. Ein bisschen was davon steht im Kapitel 16: "Die Erfahrung der Frauen, daß die Politik der Frauenförderung in Wirtschaft und Politik auf so hinhaltenden männlichen Widerstand stößt, hat nicht nur mit konkreten materiellen und Macht-Interessen und dem drohenden Verlust von Privilegien zu tun. Es geht vielmehr um das männliche Imaginäre: Männer verteidigen Männer-Räume, weil sie ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Männlichkeit unter Männern zu spiegeln ... Die bisherige Doppelfunktion der Politik und des Wirtschaftsmanagements, Gesellschaft zu regeln und Männerraum zu sein, muß dringend aufgebrochen werden". Wie kann das gehen? Das ist natürlich eine Frage der politischen Position. Ich persönlich halte (aus verschiedenen Gründen, aber das würde jetzt zu weit führen) den "Männerraum" Parlament für eher unwichtig, soll er doch ruhig Männerraum bleiben, denn die Gesellschaft regelt er sowieso nicht. Ich glaube, Fernsehen heute ist nicht dasselbe wie Theater zur Zeit der Fuggers. Hier in Brasilien zum Beispiel werden die täglichen Fernsehserien nur etwa eins, zwei Wochen im voraus gedreht, weil die Handlung sich den Wünschen der Zuschauerinnen anpasst (sie werden ganz überwiegend von Frauen geguckt, weshalb die Intellektuellen sie auch für doof und banal halten). Eine Figur in der Serie, die beim Publikum nicht ankommt, wird rausgekickt, eine, die ankommt, kriegt mehr Sendezeit. Ruckzuck. Das hat natürlich rein wirtschaftliche Gründe (mehr Zuschauerinnen, mehr Werbeeinnahmen). Nun habe ich grade heute eine "intellektuelle" Analyse gelesen, dem Autor ist aufgefallen, dass in letzter Zeit jeweils im Lauf der Folgen die von den Drehbuchautoren eigentlich projektierte weibliche Hauptrolle (Typ braves Mädel, das auf den Prinzen wartet und zwischenzeitlich viel Ungerechtes erleiden muss) zugunsten einer anderen, zunächst als Nebenfigur geplanten, interessanteren Protagonistin an Bedeutung verloren hat.  Also: was die Zuschauerinnen wollen, das kommt im Fernsehen, und findet dann irgendwann auch Eingang in das "intellektuelle" Repertoire (wie besagter Artikel beweist). Das ist nicht Kultur. Das ist ein Beispiel über das Aushandeln, Verhandeln, als Veränderung der Welt. Natürlich kann man sich in Europa fragen, was mehr Einfluss auf die Lebenswelt der Menschen hat, ein neues Frauenbild in den Fernsehserien oder eine Entscheidung im Parlament (etwa über Vergewaltigung in der Ehe). Hier in Brasilien ist das keine Frage. Es besteht nämlich ein von den Frauen verordneter Serienzwang, da es zwischen halb neun und halb zehn abends so gut wie unmöglich ist, einen Fernsehapparat zu finden, wo nicht die Telenovela läuft (und natürlich gucken die Männer letztlich auch mit, geben es bloß nicht zu, was ich an "meinem" Mann ganz wunderschön beobachten kann...). Die interessante Frage wäre aber doch, was ein ähnlich mächtiger "Frauenraum" in Europa wäre? Einer, der die Welt (ein bisschen) verändert, ohne dabei das männliche Imaginäre zu bedrohen (und deshalb nur allzu leicht zu scheitern)? Den müssten wir finden und dann dort kräftig mitmachen...

 

Ina Praetorius:

Selbstredend ist Volkstheater zur Zeit der Fugger was anderes als heutige Soaps. Aber meine Frage, warum die wirklichen Themen (der Frauen) die brutale Geldpolitik der Fugger nicht mildern konnten, beantwortet das nicht. Jakob Fugger hat das geführt, was man eine unglückliche Ehe nennt. Eine kinderlose dazu. (Ganz ähnlich wie der Mann, der zur Zeit hier in der Schweiz als Prototyp des Finanzgenies in allen Zeitungen vorgeführt wird: Martin Ebner). Hat das was zu bedeuten? Sind die wirklichen Finanzgenies vorzugsweise kinderlose Männer? Warum? Ach Gott, sind das alles spannende Fragen. Auch wenn Du, Antje, vielleicht jetzt nicht mehr kapierst, was das mit den brasilianischen Soaps zu tun hat, ich auch nicht. Ich überlasse es wieder mal Dir, den Zusammenhang zu häkeln

 

Anna Cardoso:

Das muss sich doch nicht gegenseitig ausschließen, dass sich im Fernsehen was verändert, und in der Politik auch. Viel schlimmer ist, dass die Wirtschaft noch fast ganz komplett in der Hand von Männern ist, in den oberen Etagen zumindest. Und wenn die Regierungen vielleicht auch keine politischen Entscheidungen mehr treffen, so die Wirtschaftsbosse aber schon (siehe MAI, Globalisierung etc). Ich weiß auch nicht, was das männliche Imaginäre sein soll. So eine Art Schutzraum der Männer, oder was? Weiter dazu auf Site "Das männliche Imaginäre"

 

Ina Praetorius:

Gerade lese ich in der Zeitung, wie wirkungsvoll offenbar in Skandinavien Quotenregelungen gewesen sind: Der Frauenanteil in den Parlamenten beträgt z.B. 43 Prozent in Finnland, 41 Prozent in Schweden etc. (Sowas steht bei uns in der Schweiz zur Zeit in den Zeitungen, weil die SchweizerInnen im März über eine Quoteninitiative abzustimmen haben, die vor Jahren lanciert und in der letzten Zeit fast nicht mehr beachtet wurde. Der feministische Umschwung des Feminismus in Richtung "jenseits der Gleichheit" ist da deutlich zu spüren.). Also, ich weiss im Moment auch nicht so recht, was ich da abstimmen werde, denn die Quotengeschichte empfindet frau doch irgendwie als demütigend, sobald sie kapiert hat, wie der Laden läuft. Aber als ich das über Finnland etc. heute in der Zeitung las, da hatte ich plötzlich die Vision eines Parlaments nur aus Frauen, das eine Wirtschaft nur aus Männern vernünftig reguliert. Die Geschichte könnte sich doch - rein theoretisch, oder vielleicht in Skandinavien auch schon praktisch - so entwickeln, dass die parlamentarische Politik ein Frauenraum wird und die Geldwirtschaft ein Männerraum (bleibt). Was ich nämlich ein wenig kurzsichtig finde, ist die Tendenz der Frauen, immer dorthin rennen zu wollen, wo die Männer gerade ihre Macht inszenieren, d.h. zur Zeit in die Chefetagen der Wirtschaft: nach Davos z.B., zu diesem leicht lächerlichen Männerkränzchen. Es ist nämlich völlig logisch (und das bestreitet auch kaum noch jemand, trotz des ewigen Geredes vom Machtverlust der Politik in Globalien), dass die Menschheit ohne politische Regulierungen des Wirtschaftlichen nicht überleben wird. Deshalb empfinde ich diese derzeit wieder geläufigen Ideen, dass "alles Ökonomie" wird und die Politik "nichts mehr zu sagen hat" als Zeitgeistsurferei im Schlepptau männlicher Phantasien. Aus dieser Behauptung, dass die "wirkliche Macht" nicht mehr in den Parlamenten, sondern in "der Wirtschaft" lokalisiert ist, müssen Frauen nicht schliessen, dass Parlamente ausgedient haben und sie jetzt schon wieder den Männern in die "wirklichen Machtzentren" hinterherrennen müssen. Sie können auch versuchen, die Parlamente zum Ort der Politik der Frauen umzugestalten. (Würde gern mal eine Finnin dazu hören...). In puncto Kirche meine ich manchmal so eine Tendenz zu erkennen: Im männlichen Imaginären ist die Kirche nicht mehr viel wert, denn da lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen (wie einst im Mittelalter). Da aber Religion partout nicht aussterben will, wird aus der Kirche allmählich ein Frauenraum (wenigstens "unten" und im Protestantismus). Ich finde, wir Frauen sollten nun nicht den Fehler machen darüber zu jammern, dass wir wieder mal nur dort zum Zuge kommen, wo sowieso nichts mehr los ist und nichts mehr entschieden wird. Vielmehr sollten wir diese Räume - Kirche, Parlamente demnächst... - zu Frauenräumen umdeuten, in denen wir unsere Politik machen. Oder? Irgendwie haben wir an diesem Punkt schon mal im Zusammenhang mit der Bischöfin Kässmann diskutiert, oder? Versteht ihr, was ich meine? Die (Ex-)Anarchistin wird sich kaum angesprochen fühlen. Aber mal ehrlich: ist ein Raum, der nicht ganz jenseits von Entscheidungskompetenz angesiedelt ist und aus dem die Männer sich beleidigt zurückziehen, weil bald mehr als die Hälfte Frauen drinsitzen, nicht eine reizvolle und kreativ ausbaubare Vorstellung?

 

Anna Cardoso:

Gut, die Frage ist also, ob Frauen die Orte besetzen sollen, die die Männer verlassen. Wenn das Parlament in Skandinavien kein Raum des männlichen Imaginären mehr ist, sondern einer, der von Frauen dominiert wird, dann ist ja interessant zu wissen, ob sich dadurch etwas verändert. Denn in Deutschland ist es ja noch nicht so, oder? Am besten wäre es, dazu eine Skandinavin zu befragen. Viele sagen ja, das funktioniert da oben im Norden, weil die wirtschaftlich so stark sind, gerade jetzt auch wieder Vorreiter in der Computer und Internettechnologie usw. und sich deshalb die hohen Sozialausgaben leisten können...

 

Antje Schrupp:

Ich gebe dir vollkommen recht, Ina, dass wir Frauen nicht immer dahin rennen sollten, wo die Männer grade sind und auch nicht glauben sollen, dass wo die Männer weggehen, nix mehr los ist. Als Anarchistin (schon aus Trotz jetzt nicht mehr nur Ex) meine ich aber ja gerade nicht, dass erst heute in den Parlamenten nichts mehr los ist, sondern dass da noch nie etwas los war. An anderen Orten, da wo früher tatsächlich was bewegt wurde, bin ich unbedingt dafür, dass die Frauen da bleiben. Die Religion ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie das gelingen kann – und übrigens schon öfter gelungen ist. Um mal wieder (auch wenn euch das sicher schon nervt) mit einem Beispiel aus Brasilien zu kommen: Hier hat eine afrikanische Religion die Deportation in die Sklaverei nach Übersee und vierhundert Jahre Polizeiverfolgung und Missionierungsversuche überlebt und ist inzwischen im Zuge von "black consciousness" wieder richtig schick. Wie zu erwarten war haben das die Frauen fertiggebracht, sie haben die Tradition weitergegeben, die ersten "Terreiros" gegründet, für deren politische Anerkennung gekämpft und sind jetzt auch die einflussreichsten Vertreterinnen dieser Religion. Was ich aber nicht wusste ist, dass sie dabei auch gleich mit den patriarchalen Anteilen ihrer Religion aufgeräumt haben. Früher in Afrika hatten nämlich die Leiterinnen/Leiter der Rituale nur praktische Aufgaben, während die oberste geistliche Leitung einem Mann oblag, der über ihnen stand (und das durfte auch keine Frau sein, es war eine explizit und ganz zentral patriarchale Verfassung). Dieses Amt haben sie hier in Brasilien abgeschafft und die zweite Ebene in der Hierarchie zur obersten Ebene gemacht. Es ist also gelungen, die Geschlechterdifferenz zum Ausgangspunkt für eine freiheitliche Veränderung zu machen, und zwar gleichzeitig unter Beibehaltung und Unterbrechung der Tradition: Sie haben sich nicht dafür eingesetzt, dass "auch Frauen" diese geistlichen Oberhäupter sein können, sondern diese ganze Institution und damit die falsche und künstliche Trennung zwischen praktischer und geistlicher Leitung aufgehoben, dadurch die Religion gerettet und wieder zu neuem Ansehen gebracht. Was mir zu denken gibt ist, dass das funktioniert hat, ohne an irgendeiner Stelle theoretisch verarbeitet zu sein. Die Protagonistinnen selbst würden niemals sagen, dass das ihre Absicht gewesen ist. Und auch den SoziologInnen und ReligionswissenschaftlerInnen etc., die sich neuerdings mit dieser Religion beschäftigen, ist dieser Vorgang der Entpatriarchalisierung noch nicht aufgefallen. Es ist einfach so "passiert" (wie ja auch die Italienerinnen im roten Sottosopra schreiben). Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass die Philosophie (und wir) solche Veränderungen zur Freiheit immer erst, wie Hegel ja schon wusste, im Nachhinein feststellen können. Und von daher will ich auch deiner Vision von den Frauenparlamenten nicht grundsätzlich widersprechen. Ich bin nur skeptisch, ob die Prinzipien, nach denen parlamentarische Demokratie funktioniert (die ja zwangsläufig etwas formales, repräsentatives etc. haben, deshalb auch die negative Konnotation von "Beziehungen", die Susan richtig beobachtet hat) wirklich geeignete Instrumente für unser Anliegen sind. Und noch etwas: Natürlich sind wir und unsere Wirtschaft existenziell darauf angewiesen, dass das Ganze politisch gesteuert wird. Aber es ist ja trotzdem unbestreitbar, dass in den Räumen der "offiziellen" Politik eine Rhetorik stattfindet, die uns erklären will, warum das nicht geht, warum sie nichts tun kann. Und wenn ich mir die Mannesmann-Übernahme anschaue, wo eine Riesenfirma gegen den ausdrücklichen Willen von Belegschaft, Management und Politik geschluckt wird (das war sogar hier in den Zeitungen), dann frage ich mich schon, wo auf dieser Ebene überhaupt noch etwas steuerbar ist. Die Verhandlungen darüber, wie Wirtschaftlichkeit mit Lebensqualität, Sinn, gelingenden Beziehungen etc. zusammengeht, finden heute eben faktisch woanders statt. In den Familien (wo Frauen ihr Verständnis dafür aufkündigen, dass ihre Karrieremänner 12 Stunden am Tag arbeiten), in den WGs (wo Arbeitsstress nicht als Entschuldigung für Nicht-Putzen durchgeht), in den Büros (wo ältere Sekretärinnen auf der Beibehaltung ihres gemächlicheren Arbeitsrhythmus bestehen), in den "glückliche Arbeitslosen"-Initiativen, in den Pflegediensten (wo Krankenschwestern sich den Minutenabrechnungsmassstäben der Kassen verweigern) und so weiter. Das alles sind ja politische Verhandlungen, die das Diktat der Wirtschaft im Zaum halten. Was die "offizielle" Politik vielleicht machen könnte, ist diese Initiativen und Räume zu schützen und zu stärken und so wäre sie wenigstens indirekt noch an der Politik beteiligt. Das würde ein Frauenparlament vielleicht sogar tatsächlich fertig bringen.

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