Symbolische Ordnung

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

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Ina Praetorius:

Gestern habe ich mit Andrea Günter (life beim Frühstück im Hotel, auch das gibts noch) über die Frage der Kultur der präsenten Väter diskutiert. Über diese These der Chora-Frauen also, dass es präsente Väter durchaus gibt, dass sie aber, wie die Care-Arbeit der Frauen, symbolisch nicht bzw. falsch repräsentiert sind. Es sind die "Waschlappen" oder "Drückeberger" unter den Männern, die tatsächlich hin und wieder einen Waschlappen in die Hand nehmen, um einen Kind den Hintern zu putzen, zum Beispiel. In meine, Gespräch mit Andrea habe ich die These vertreten, dass es für die Arbeit am Symbolischen, in diesem Fall für die Frage, was postpatriarchale Väter eigentlich sind, wichtig ist, ob es diese Waschlappenkultur gibt oder nicht. Andrea meinte dagegen, für das Neu-Sagen der Vaterschaft sei diese rein empirische Frage ohne Belang. Ich weiss nicht, wer recht hat oder ob vielleicht beide. Und diese Debatte berührt für mich ein Problem, das mich überhaupt umtreibt, das ich z.B. auch habe, wenn ich Muraros "symbolische Ordnung der Mutter" lese: Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem, was herkömmlich "Empirie" genannt wird und der Arbeit am Symbolischen? Luisa Muraro möchte ich die Frage stellen, was es für die Liebe zur Mutter bedeutet, wenn eine reale Mutter zum Beispiel Alkoholikerin ist und deshalb ihrer Tochter die Sprache nur mangelhaft vermittelt hat. Ich kann mir schon vorstellen, dass Muraro wissend lächeln würde und sagen, dass ich noch nicht verstanden habe, was sie meint. Ich habe aber verstanden, was sie meint, und ich bin sogar begeistert davon, aber die Frage nach der Empirie stelle ich trotzdem. So wie ich mich gestern auch nicht einfach von Andrea überzeugen liess, dass die Waschlappenkultur für uns irrelevant ist. Und was meint Ihr?

 

Antje Schrupp:

Na klar, sobald Andrea ins Spiel kommt, wird's hochphilosophisch. Schön: Was soll das Symbolische denn für einen Zweck haben, wenn's keine Empirie gibt. Das Symbolische ist ja nicht ein Ideales, das wir uns einfach so ausdenken können, sondern es ist eine Form, das in Worte und Gedanken zu fassen (und damit bewerten, beurteilen, austauschen zu können), was konkret erlebt wird, was irgendwie da ist, in Materie (dafür nehmen die Italienerinnen das Wort "Kontingenz", bei dem Dorothee immer drauf bestanden hat, dass wir's ins Deutsche übersetzen, was aber echt schwer ist, beziehungsweise sie reden von Menschen aus 'Fleisch und Blut', anderes Stichwort: Partire da se, von sich selbst ausgehen. Oder auch: Die Ereignisse ernst nehmen). Also fehlenden Bezug zur Empirie kann man ihnen sicher nicht nachsagen. Im Prinzip geht es doch darum, das konkret Erlebte denken zu können, ohne dabei auf die falschen symbolischen Ordnungen reinzufallen, die so im Umlauf sind.
Ich glaube, bei dem Disput zwischen dir und Andrea geht es nicht so sehr um Empirie versus Ideal, sondern um die Frage Qualität versus Quantität. Und so wäre in der Tat die Frage irrelevant, wie viele Männer schon dies oder das tun, es genügt sozusagen einer (den eine erlebt hat), um die Frage nach dem Symbolischen neu zu stellen. Ich würde mich allerdings doch nicht so ganz von den Zahlen verabschieden wollen, obwohl es oft tatsächlich im Denken irre führt, wenn man sich an die Menge hält. Und mit den alkoholisierten Müttern, das ist ja (jetzt mal rein logisch gesehen) kein Argument. Denn einen Grund, an einer alkoholisierten Mutter zu leiden, gibt es ja nur, wenn Tochter einer Mutter zu sein gerade von symbolischer Bedeutung ist. Wenn das, was fehlt, als wertvoll gilt. Und noch mal zu den Vätern. Was ich dabei wichtig finde ist, zu kapieren, dass das Nachdenken über Väter nichts mit dem Nachdenken über Mütter zu tun hat. Nur unter dieser Prämisse bin ich dazu bereit. Was mir auf den Geist geht ist, wenn über den Umweg des Vater-Nachdenkens insgeheim doch das Mutter-Tochter-Verhältnis verhandelt wird. Dieses alte und falsche Komplementärdenken des Geschlechterverhältnisses ist einfach zu tief drin.

 

Ina Praetorius:

Du meinst also, dass es für die Arbeit am Symbolischen schon eine Rolle spielt, ob ich einen Waschlappen kenne? Ich finde, dass es vielleicht doch zusätzlich noch eine Rolle spielen würde, ob der eine Waschlappen mit anderen Waschlappen spricht, ob es da also vielleicht schon Symbolisierungen gibt, an die ich anknüpfen kann, eine "Kultur" der Waschlappen also, die mir etwas darüber mitteilt, was ein postpatriarchaler Vater sein könnte. Du hast recht, dass diese Frage nicht mit dem Nachdenken über Mütter vermischt werden sollte. Das tu ich aber, glaube ich, auch gar nicht. Die Frage nach der symbolischen Bedeutung des Vaters oder nach einem anderen, weniger schädlichen männlichen Imaginären (wir müssen noch Annas Frage beantworten) halte ich für politisch dringlich, das steht ja auch in der Flugschrift. Für mich ist sie leider ein ziemlich weisser Fleck in der Landschaft, weshalb ich auch so auf der Waschlappenfrage, dem Fugger etc, beharre.

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