Cyberwelt

Liebe zur Freiheit - Hunger nach Sinn. Flugschrift über Weiberwirtschaft und den Anfang der Politik

Home ] Diskussionsforum ] Kapitel 1 ] Rezensionen und Zuschriften ] Veranstaltungen ] Die Autorinnen ] Der Prozess ] Literatur ] Links ]

Startseite

Affidamento
Alter/Generationen
Aktionen/Engagement
Angela Merkel und Co.
Autorität und Amt
Begehren
Big Brother
Bindung an Dinge
Cyberwelt
Dankbarkeit
Daseinskompetenz
Differenz
disfieri - Maschen aufziehen
Eigentum
Ende des Patriarchats
Ethik und Normen
Feminismus im Mainstream?
Flugschrift allgemein
Frauenbewegung
Frauen von...
Freiheit und Abhängigkeit
Geld
Gelingende Beziehungen
Geschlechterdifferenz
Globalisierung
Glück
Gurus unter Frauen
Handeln - tätig sein
Hausarbeit - Care
Herr und Gott
Homosexualität
Ideen
Illusionen
Institutionalisierung
IQ-Tests
Italienerinnen
Juristinnen
Macht
Das männliche Imaginäre
Mailingliste
Mystik/Spiritualität
Politik
Präsenz des Weiblichen
Schweizer Expo
Schweden
Sexualität
Sozialarbeit
Sozialstaat
Staat und Gerechtigkeit
Sprache und Theoriebildung
Symbolische Ordnung
Teilen
Terroranschlag
Verantwortung der Mütter
Verfassung
weibliche Identität
Väter
Zivilisation

 

Gisela Meyer:

So ich soll sagen wer ich bin. Gilt Kritik erst was wenn das klar ist? Wer darf kritisieren und wer nicht? Ich verrat euch was. Ich heisse nicht Gisela Meier. Gisela Meier ist mein Webversteck. Meine Mailinglistenundnewsletteradresse. Weil ich manchmal auch nicht ich sein will. Aber alles was Gisela Meier sagt, mein ich ehrlich. Ehrlich. Oder darf ich jetzt nicht mehr mitmachen?

 

Anna Cardoso:

Im Kampf der Cyberrealitaet gegen das reallife sollte man sich keinen Illusionen hingeben. "Du bist was du eintippst" hat mal jemand gesagt, und das stimmt ja. Manche Chats fragen ein "Profil" ab, bevor man teilnehmen kann, und unter Geschlecht z. B. kann man da nicht nur weiblich und männlich sondern auch "beides", "neutral" oder "royal" ankreuzen. Mit anderen Worten, die fordern direkt zum Schwindeln auf. Also, worauf kann man sich verlassen? Ich finde, es sollte freiwillig bleiben, wer was von sich preisgeben will. Mich interessiert es gar nicht, wer Gisela in (welcher) Wirklichkeit ist. Vielleicht ist sie ja ein ganz sanftes schüchternes Fraulein, die hier mal richtig auf den Tisch haut, was sie sich sonst nicht traut! Soll sie doch. Trotzdem fand ich interessant, zu sehen, wer Chora sind. Ich gehe daraufhin nochmal zu eurer Stellungnahme.

 

Antje Schrupp:

Mir geht unterdessen ein weiteres Thema im Kopfe herum: Internet und Autorität. Was gilt das gemailte Wort, das ja gewissermaßen ein Mittelding zwischen dem gesprochenen und dem geschriebenen/veröffentlichten ist? Wie konstruiert sich Autorität ohne face-to-face-Kontakt? Mir ist nämlich folgendes passiert. Ich habe auf meiner homepage einen Text über Pfingstkirchen stehen, einen Bericht, den ich mal fürs Radio gemacht habe. Eine Schülerin aus der 11. Klasse irgendwo in Dtl. soll ein Referat über das Thema schreiben, findet beim Surfen meinen Text und schreibt im wesentlichen daraus ab. Ihre Lehrerin gibt ihr eine sechs, weil sie findet, dass Pfingstkirchen fundamentalistische Sekten sind, die man nicht differenziert betrachten darf. Die Schülerin beschwert sich bei mir, wir mailen uns ein paar mal hin und her. Heute schickt sie mir wieder ein mail und fragt mich, was ich von den Zeugen Jehovas halte, sie würde da nämlich ein paar kennen und sie gar nicht so schlimm finden. Ich stelle fest, dass ich einigermaßen verunsichert bin über diese Beziehung (?), die da entstanden ist. Was gilt mein (getipptes) Wort in ihrem Schülerinnenkopf? Wie soll ich ihr antworten, wenn ich sie doch gar nicht kenne, sie nicht sehe, mir sie nicht vorstellen kann? Ihr erstes Mail habe ich noch beantwortet, wie sonst Leserinnenbriefe. Aber dann hat sie mich unversehens in einen Dialog verwickelt, in ein Gespräch (was sie nur konnte, weil es diese neue Technik email gibt), woraus offenbar so etwas wie eine Autoritätsbeziehung entstanden ist. Ich finde das ziemlich spannend. (15.4.2000)

 

Ina Praetorius:

Das Thema "Internet und Autorität" ist wirklich sehr spannend. Mich beschäftigt zur Zeit ganz allgemein, was dieses neue, gleichzeitig schnellere und langsamere, präzisere und unpräzisere (als alles was ich bisher kannte) Kommunikationsmittel mit mir, mit anderen und mit der Öffentlichkeit macht. (15.4.2000)

 

Ingeborg Dietzsche:

Interessantes Thema. Medienkompetenz. Was bedeutet das? Für mich? Für meinen Erziehungsstil? Für mein Kommunikationsvermögen? Wie komme ich bei anderen Internet-Besuchern an? Kennen sie mich im Chatroom und freuen sich, wenn ich auch dabei bin? Oder nerve ich mit Besserwisserei, obwohl ich ja gar nicht weiß, wer sich hinter "Inka, Minka, Dida" verbirgt? Autorität durch das geschriebene und abgesandte Wort. DAS WORT  WURDE AUSGESANDT UND KAM AN; KAM NICHT AN; DAS WORT WARTET AUF DAS ANKOMMEN; klingt ganz biblisch oder?

Mir geht es mit der Autorität momentan auch so. In der Vergangenheit vermittelte ich nur wenigen Leuten, die mich als Hausfrau und Mutter sahen, Autorität. Höchstens in meiner Familie in bezug auf meine Erziehungsaufgabe. Aber nicht in der Öffentlichkeit. Aber nun ist das anders. Auf Webseiten kann ich meine Meinung sagen, ob gefragt oder ungefragt. Ich zeige, daß ich selbständig denken kann. Ich zeige, daß ich schreiben kann. Ich zeige, daß ich teilnehmen kann. Sogar von zu Hause aus, zwischen Abwasch und Bügeln, ohne vorher ein Makeup aufzulegen, meine Beine zu rasieren usw. Hach - ist das nicht toll! Macht und Medienkompetenz gehen Hand in Hand, dies kann ich sehr wohl fühlen. Medienkompetenz vermittelt Autorität, eine selbstgeschaffene Autorität, denn es hängt nur von dem "Machen hier und jetzt" ab, nicht von irgendwelchen Zeugnisnoten in der Vergangenheit, in Fächern, die mit Computer nichts zu tun haben....., bzw. es hängt davon ab, was ich vom damals Gelernten nun anwende, anwenden will! Das Medium ist so neu, hat sich so schnell entwickelt, daß jetzt Inder eben einfach besser sein können, als die "Enkel von Zuse"....! Was bedeutet das? Eine Autoritätsverlagerung - sicher. Wir in Deutschland müssen darum bitten, daß Spezialisten kommen. Und wenn sie gar nicht kommen wollten, wenn sie einfach  in Indien oder in Peru ihre Seiten machen, schließlich trägt in dieser Branche jeder zur Weiterentwicklung von jedem bei, sogar Hacker. Deren evtl. kriminelle Energie wird genützt, umgeleitet, umgepolt, kann wieder Nutzen bringen. Also sollen sie kommen. Aber wenn sie gar nicht wollen. Dann müssen wir viel Geld bieten. VIEL Geld für Medien-Autorität. Hm, hier könnt Ihr weiterdenken........ (16.4.2000)

 

Ina Praetorius:

kein Zweifel: über Internet entstehen neue Autoritätsverhältnisse. Ich gehe davon aus, dass jede Beziehung zwischen Menschen den Aspekt Autorität mit enthält, mal sehr flüchtig und wechselhaft, mal ganz statisch... Wenn also Internet Beziehungen stiftet, was es zweifelsohne tut, dann auch Autorität. Das Interessante finde ich, dass so vieles neu aufgemischt wird, wie Du, Ingeborg, schreibst. Vieles spielt keine Rolle mehr: Distanzen, Status, Aussehen, Orte... Was notwendig ist, ist sprachliche (schriftliche) Kompetenz und ein Minimum an Technik. Ich bemerke bei mir, dass ich immer noch manchmal das Gefühl, habe, dass Internet-Kommunikation nicht die <richtige> ist. Die richtige, wichtige Art zu kommunizieren, das ist: Vorträge halten, Bücher lesen, Bücher schreiben, an Kongressen teilnehmen und dort auch was sagen... Mal sehen, wie sich das entwickelt. Was den Erkenntnisgewinn angeht, ist jedenfalls das, was ich per mail mache, schon ganz schön "richtig". Es fordert meine Formulierunge-, Denk- und Zuhör-(Zules-?)Fähigkeiten mehr als anderes. Allerdings: Mailen bringt (im Gegensatz zum Vorträge-Halten und in gewisser Weise auch Bücher-Schreiben) bisher kein Geld, sondern kostet... (16.4.2000)

 

Claudia von den Choras:

"Autorität" im Sinne der weiblichen Freiheit ist nie etwas was ich habe, sondern etwas was andere mir geben, indem sie meinem Wort eine besondere Bedeutung für sich geben. (17.4.2000)

 

Ina Praetorius:

Ich stimme Dir zwar zu, dass Autorität viel mit dem zu tun hat, was andere mir zusprechen. Sicher wäre sie falsch verstanden, wenn ich meinen würde, dass ich allein mir Autorität "verschaffen" kann. Andererseits reagiere ich, offen gestanden, ein wenig allergisch, wenn das "Denken der weiblichen Freiheit" schon wieder dogmatisch daherkommt, im Sinne von: "Autorität ist immer und nur...". Ich finde, das Denken in Beziehungen fordert uns dazu heraus, solchen "Immer-und-nur"-Redeweisen mit Skepsis zu begegnen. Autorität scheint mir ein Beziehungsphänomen zu sein, d.h.: ich kann (wie Ingeborg) Kompetenzen entwickeln, die es wahrscheinlich machen, dass andere mich als kompetent oder als Autorität anerkennen. Das heisst nicht, dass ich meine Autorität "mache", aber sie ist auch nicht ausschliesslich ein Werk der anderen. (Da gibt es einen Link zu dem Gedanken von Andrea Günter, den Du, Antje, von der Tagung berichtet hast: Das "Gelingen" einer Beziehung hängt von der anderen ab, die zum Subjekt der Beziehung wird oder so ähnlich. Diesen Gedanken habe ich allerdings nicht richtig verstanden. Wie war das genau gemeint?) (17.4.2000) > weiter auf Site "Gelingende Beziehungen"

 

Anna Cardoso:

Du, Ina, schreibst, man könnte im Internet kein Geld verdienen. Das wird sich bestimmt bald ändern. In USA und anderen Ländern (Deutschland leider noch nicht, oder weiss jemand was entsprechendes?) gibt es schon eigene
Internetwährungen (zum Beispiel beenz, www.beenz.com), da kann man fürs Surfen auf Seiten Internetgeld sammeln und dann auf anderen Seiten damit Bücher oder Klamotten einkaufen. Langfristig ist sogar geplant, dass man sich die beenz ausdrucken kann und damit auch im real life in den angeschlossenen Geschäften einkaufen kann. Das interessante daran finde ich, dass man diese beenz nicht verkapitalisieren kann, also wenn man sie nicht verkonsumiert, hat man nichts davon. Das erinnert mich an das Konzept "Frauengeld" von ??? (den Namen hab ich vergessen), die Frau, die über diese Frauenstadt in Mexiko geforscht hat. Sie sagte doch auch, dass dort das Geld vor allem da ist, um es für schöne Feste usw. auszugeben. (19.4.2000)

Antje Schrupp:

Von diesen beenz habe ich auch schon gehört, und ich wollte das auch schon mal ausprobieren, bin aber noch nicht dazu gekommen. Funktioniert das wirklich in Deutschland nicht? Schade. Aber der Wert-Markt im Internet ist ja scheints echt groß. Ich würde nur gern wissen, wie genau das funktioniert und wer das bezahlt. Über die beenz gelesen hab ich übrigens in der Zeitung "brand eins" (danke, Ksenija, für den Tipp, ich hab mir schon gleich ein Probeabo bestellt, meine eine Mitbewohnerin hat sie mit in den Urlaub entführt und meine andere lief daraufhin gleich zum Kiosk, um sie nachzukaufen, alle ganz begeistert) - na jedenfalls die Zeitung firmiert als "Wirtschaftsmagazin", ist aber trotzdem höchst interessant und empfehlenswert. Nicht alles ist richtig, aber sie hat viele Gedanken, die neu sind und die ich anderswo noch nicht so gefunden habe. Viel Stoff zum Nachdenken.

 

Ina Praetorius:

Solche Sachen wie Beenz und Brand 1 interessieren mich auch allmählich. Warum z.B. dieser eCircle und sonst alle möglichen Mailinglisteen gratis sind, das kapier ich überhaupt nicht. Steht die Antwort in Brand1? (19.4.2000)

 

Angela Standhartinger:

Zur Zeit finanzieren sich viele Anbieter wohl über die Börse bzw. über Anleger/innen und das ist virtuelles Geld, aber es geht wohl nicht nur um den direkten Gelderwerb sondern um Erfahrung und Präsenz im Netz. Also ich denke Amazon ist tatsächlich reicher als buecher.de oder so ähnliche, weil sie die ersten waren, und die bekanntesten und internationalsten sind und wenn sie keinen grossen Fehler machen auch erstmal bleiben. Ob es sich wirklich lohnt, die B|cher gratis zu verschicken, steht auf einem anderen Blatt. Die Erfahrung und die Präsenz ist das Kapital. Die Server kosten nicht mehr so viel also kann das fast jede. Erst kamen die Suchmaschinen und als das zu viele wurden kamen die gratis E-mails und dann die gratis Chatträume und nun die gratis Mailinglistserver und hier noch wenig bekannt auch gratis Server für Seminardiskussionen und dhnliches z.B. blackboard.com. Der Kampf geht ums Monopol oder die beste Präsenz - aber ob das Internet wirklich so funktioniert weis eigentlich niemand. Und dann gibt es immer auch ganz uneigennützige Dinge, irgendwelche Leute, die schlicht Infos verbreiten wollen oder ihre Datenbanken auch andern zugänglich machen und dabei von Spenden leben - oder so. Das Netz scheint mir ein Testfall, ob die Demokratie - im Sinne von Volks-herrschaft sich der Kapitalisierung erwehren kann oder nicht. Und bisher lebt sie länger als vorhergesagt.

 

Antje Schrupp:

Heute möchte ich euch mal einen Witz erzählen. Sitzt ein Mann am PC und ruft seiner Frau zu: "Liebling, willst du nicht mal die Wohnung putzen? Schließlich bin ich schon seit Stunden am Einkaufen!" (11.5.2000)

Home