Antje Schrupp im Netz

Demografischer Wandel – Gewinn oder Verlust für die Frauen?

Für Frauen hat sich vieles verändert in den vergangenen dreißig Jahren. Ihnen stehen heute viele Wege offen, die ihren Großmüttern noch verschlossen waren. Vieles hat sich im Zuge der Emanzipation verbessert: Das Klima zwischen Frauen und Männern, zwischen Erwachsenen und Kindern. Das Klima in der Politik und am Arbeitsplatz. Sicher, es ist nicht überall alles in Butter, aber wohl kaum jemand möchte allen Ernstes zurück in den Mief der fünfziger Jahre.

Trotzdem wird immer wieder die Frage gestellt, ob diese Emanzipation der Frauen wirklich so gut war. Ist die Freiheit der Frauen ein Luxus, den wir uns nur leisten können, wenn wir keine anderen Probleme haben?

Eines der Probleme, die wir derzeit angeblich haben und in dessen Zusammenhang die Frage nach der Freiheit der Frauen neu diskutiert wird, ist die demografische Entwicklung. In Deutschland, so heißt es, werden zu wenige Kinder geboren, die Gesellschaft überaltert, ungeheure Probleme bei der Pflege und in der Wirtschaft kommen auf uns zu. Kinder werden nicht mehr ordentlich erzogen, die Bildungssituation ist desolat, der soziale Zusammenhalt zerbricht – und Schuld sind die Frauen? Nur wenige sagen das so explizit. Aber die Vorstellung ist doch virulent.

Zum Beispiel auch dann, wenn die Gegnerinnen solcher rückwärtsgewandten Patriarchatsillusionen darauf reagieren, indem sie auf die Rechte der Frauen pochen. Diese Argumentation finde ich problematisch, denn damit bestätigt man die Vorstellung, dass es sich hier um zwei widerstreitende Interessen geht, die miteinander ins Lot gebracht werden müssen: Auf der einen Seite die Rechte der Frauen, auf die anderen die Interessen der Gesellschaft. Aber so ergibt sich ein falsches Bild. In meinem Buch »Methusalems Mütter« vertrete ich hingegen die Auffassung, dass die Freiheit der Frauen nicht ein weiteres zu lösendes Problem der Gesellschaft ist, sondern vielmehr ein Teil der Lösung ihrer Probleme. Je mehr weibliche Freiheit wir haben, je mehr Feminismus es gibt, desto besser wird es uns gelingen, auf die Herausforderungen der demografischen Entwicklung zu antworten, davon bin ich überzeugt.

Übrigens auch deshalb, weil das »Kinderthema« ja nur einen Unterpunkt im Hinblick auf die demografische Entwicklung ist, die für unsere Gesellschaft noch ganz andere Herausforderungen bedeutet. Der Hauptgrund dafür, dass der Altersdurchschnitt der Gesellschaft steigt, ist nicht die Geburtenrate, sondern die Lebenserwartung. Die steigt nämlich kontinuierlich an. Derzeit liegt sie bei 78 Jahren, und sie steigt in den westlichen Industrienationen jedes Jahr um zwei bis drei Monate an.

Wobei das eigentlich Neue an der Entwicklung aber nicht einmal ist, dass die Menschen immer älter werden, sondern dass immer mehr Menschen alt werden. Fast 95 Prozent erreichen heute ein Alter von sechzig Jahren – das hat es in der ganzen Menschheitsgeschichte noch nie gegeben. Früher starben sehr viele Kinder nämlich schon in den ersten Lebensjahren, viele Frauen starben bei der Geburt, viele Männer in Kriegen oder bei der Arbeit, viele Krankheiten erforderten damals Todesopfer, während sie heute heilbar sind. Die Arbeitssicherheit hat sich verbessert, es gibt weniger Unfälle und so weiter. Dass das Alter die vorherrschende »Todesursache« ist, ist also das eigentlich neue.

Das heißt, die Veralterung der Gesellschaft ist nicht ein Problem, sondern ein Zeichen für den Wohlstand unsere Gesellschaft, ein Grund zur Freude. Wir haben es hier mit einer sehr positiven Veränderung zu tun. Leider sind die Bilder ganz andere. Da wird von »Vergreisung« oder »Überalterung« gesprochen, so als ob etwas ganz Schreckliches auf uns zukäme. Aber egal wie gut es uns gelingt, in Zukunft es den Frauen zu ermöglichen, so viele Kinder zu bekommen wie sie wollen, und egal wie viel Zuwanderung von jungen Menschen aus anderen Ländern wir auch fördern – darauf, dass die Bevölkerung älter wird, müssen wir uns so oder so einstellen. Solche Bemühungen können den Trend etwas verlangsamen, aber nicht aufhalten. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, dass wir uns von überkommenen Altersklischees lösen. Dass wir das Alter als Potential sehen und nicht als Bedrohung.

Ich sehe im Zuge der Demografiedebatte daher eine große Chance für die Frauen. Denn erstmals ist hiermit die Tatsache, dass Menschen immer in Form von Generationen zusammen leben, in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Menschen sind keine »Gleichen«, die sich »auf Augenhöhe« begegnen, miteinander Verträge abschließen und in Konkurrenz gehen können. Dieses Menschenbild der männlichen Philosophie ist am Ende. Die männliche Philosophie hat immer so getan, als ob Menschen fix und fertig als Erwachsene vom Himmel fallen. Autonome und unabhängig Subjekte, Gleiche eben. Und alle, die da nicht reinpassen – Kinder, Kranke, Behinderte, Alte, eine ganze Zeitlang auch die Frauen – wurden sozusagen als Abweichungen von der Norm betrachtet, als Sonder- und Problemfälle, für die man irgendwelche Speziallösungen finden muss. Die Sorge für diese Sonderfälle wurde dann zudem auch noch ausgegliedert und den Frauen zugeschrieben, mit der Folge, dass Haus- und Familienarbeit nicht in wirtschaftlichen Bilanzen auftauchte, und dass das, was die Frauen da taten, nicht als Teil der Politik galt, sondern irgendwie als deren Privatangelegenheit.

Jetzt ist diese Illusion nicht mehr aufrecht zu erhalten. Generationenpolitik – also die Frage, wie Mensche nicht als Gleiche, sondern als Unterschiedliche ihr Zusammenleben gestalten – ist nicht mehr ein politisches Randproblem, sondern steht auch in Berlin ganz oben auf der Agenda. Das ist aus feministischer Sicht eine sehr gute Chance. Worauf es nun ankommt, ist dass Frauen, die ja in diesem Bereich unbestreitbar Expertinnen sind, sich mit ihren Erfahrungen, Wünschen und Ideen vernehmbar zu Wort melden und sich einmischen.

Auch deshalb habe ich dieses Buch geschrieben. Um sich einmischen zu können, muss man die eigenen Erfahrungen in den gesellschaftlichen Diskurs einknüpfen. Man muss auch die Zahlen und die Statistiken kennen und sie interpretieren können. Und man muss wissen, in welchem weltanschaulichen Rahmen diese Debatten geführt werden.

Denn ein großes Problem ist, dass diese Debatten noch immer vor dem Hintergrund alter und überholter Weltbilder diskutiert werden. Zum Beispiel ist ja der Verdacht, dass der Feminismus und die Frauenbewegung schlecht sind für die Geburtenrate und eine kinderfreundliche Gesellschaft, keineswegs neu. Schon im Jahr 1914 beschäftigte sich die Frauenrechtlerin Marie Bernays in einem bemerkenswert aktuellen Artikel mit der Frage: »Besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Frauenbewegung und dem Geburtenrückgang?« Schon sie sah sich allerlei aufgeregten Analysten und Statistikern gegenüber, die das Aussterben der Deutschen prognostizierten, und den Frauen die Schuld daran gaben.

Rein zahlenmäßig gab es für solche Ängste damals weit mehr Anlass als heute: Zwischen 1900 und 1920 sank die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau ganz dramatisch – von fünf auf nur noch zwei. Auch damals gab man der Frauenbewegung die Schuld: Mit ihren Forderungen nach dem Frauenwahlrecht, der Zulassung von Studentinnen an den Universitäten und dem Zugang bürgerlicher Frauen zur Erwerbsarbeit schaufele sie der deutschen Hausfrau und Mutter das Grab, so der weit verbreitete Vorwurf.

Heute wissen wir, dass dieser Vorwurf unberechtigt war. Erstens bekommen Feministinnen keineswegs weniger Kinder als andere Frauen. Zweitens hat die Emanzipation die Frauen auch nicht dazu gebracht, verantwortungslos zu werden: Sie sind heute zwar gleichberechtigt, aber trotzdem sind es nach wie vor ganz hauptsächlich sie, die sich um Kindererziehung, Hausarbeit, die Pflege von Kranken und Alten kümmern. Und drittens: Dass es heute so etwas wie »Familienpolitik« überhaupt gibt, ist ja in aller erster Linie der Frauenbewegung zu verdanken. Die hat nämlich dafür gesorgt, dass die Schaffung einer »kinderfreundlichen« Gesellschaft zu einem allgemeinen politischen Anliegen geworden ist, und dass zumindest die gröbsten Ungerechtigkeiten in der wirtschaftlichen Benachteiligung von Müttern beseitigt wurden. Ohne diese Errungenschaften der Frauenbewegung wäre die Geburtenrate heute noch viel niedriger.

Und wie ist sie nun, die Situation heute?

Zunächst einmal die Fakten: Dass Frauen in Deutschland »immer weniger Kinder« hätten, wie behauptet wird, ist schlichtweg falsch. Richtig ist, dass die Geburtenrate sinkt – also die Anzahl der Neugeborenen pro 1000 Bevölkerung. Aber das hat nichts mit weiblicher Gebärunlust zu tun, sondern liegt schlicht daran, dass die Menschen heute älter werden als früher und daher proportional immer weniger Frauen im gebärfähigen Alter sind. Die einzelnen Frauen haben im Durchschnitt immer noch genauso viele Kinder wie vor dreißig Jahren, nämlich ungefähr 1,6. Die niedrigere statistische Fertilitätsrate von knapp 1,4 ist der Tatsache geschuldet, dass sich das Gebäralter der Frauen kontinuierlich nach hinten verschoben hat. Dieser »Zeiteffekt« bewirkt dass die statistische Kinderrate niedriger liegt, als die reale – wenn es Sie interessiert kann ich das später noch genauer erklären.

Mitte der 1970er Jahre ist die statistische Kinderzahl pro Frau in der Tat ziemlich abrupt gesunken, und zwar von 2,5 auf ungefähr den Stand von heute. Das ist aber nicht eine Folge der Frauenbewegung – sondern eher davon, dass mit der Pille auch Frauen aus schwächeren sozialen Schichten ihre Geburten kontrollieren konnten: Sie bekamen nun nicht mehr fünf oder sechs Kinder, sondern nur noch zwei.

Das Anliegen von Feministinnen war es noch nie, Frauen das Kinderkriegen auszutreiben, sondern im Gegenteil, die Position von Frauen und damit auch von Müttern zu stärken und die Gesellschaft insgesamt kinderfreundlicher zu machen. Es waren Feministinnen, die schon vor dreißig Jahren eine Diskussion über Generationenpolitik angestoßen haben. Die Mütter- und Kinderfrage war die entscheidende Initialzündung der Frauenbewegung gewesen, was heute oft vergessen wird, weil vor allem die Abtreibungsthematik in Erinnerung geblieben ist. Diese war aber nur ein Unterpunkt in einem größeren Projekt. Feministinnen haben damals die ersten Kinderläden gegründet, neue pädagogische Konzepte entworfen und zusammen mit Erzieherinnen für eine bessere Ausstattung von Kindergärten gekämpft – lange, lange, bevor das zum gesellschaftspolitischen Mainstream geworden ist.

Das Hauptanliegen der Frauenbewegung ist die Beförderung weiblicher Freiheit, das heißt, der Feminismus will dem, was Frauen wollen und sich wünschen, zu mehr gesellschaftlichem Einfluss verhelfen. Und was wollen Frauen? Sie wollen jedenfalls mehr Kinder haben, als sie faktisch bekommen – das zeigen sämtliche Befragungen. Geburten scheitern jedenfalls nicht an feministischen Ideologien, sondern an fehlenden Kindergartenplätzen, steigender beruflicher Belastung, unflexiblen Arbeitsplätzen – und zunehmend auch an den Männern. Fast die Hälfte der Frauen, die ein Kind möchten, findet schlichtweg keinen passenden Erzeuger – die Lust auf Vaterschaft ist in den letzten Jahren besorgniserregend zurückgegangen: 26 Prozent der jungen Männer wollen keine Kinder, gegenüber nur 11 Prozent der Frauen, wobei sich die »Kinderunlust« der Männer seit 1992 mehr als verdoppelt hat, während sie bei den Frauen nur leicht gestiegen ist.

Sehr auffällig ist es doch auch, dass ausgerechnet diejenigen, die in ihren Feuilletons über den Werteverfall und das Ende des familiären Zusammenhalts klagen, gleichzeitig in ihrem Wirtschaftsteil den Neoliberalismus predigen, also eine Wirtschaftsweise, die eindeutig familienfeindlich ist. Der Arbeitsmarkt verlangt inzwischen ein Höchstmaß an Flexibilität, die Zahl der Überstunden steigt wieder an, und es wird immer üblicher, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ständig erreichbar sein müssen, stets bereit, im Interesse des Unternehmens zu reisen oder gar umzuziehen. Das sind ja wohl alles andere als günstige Bedingungen für die Gründung einer Familie, die nun einmal auf eine gewisse Stabilität angewiesen ist.

Nicht nur die neue, global-flexible Wirtschaft, auch die alten patriarchalen Verhaltensmuster wirken sich auf vielfältige Weise schädlich auf die Kinderzahlen aus – und zwar international durchaus unterschiedlich. So sind heute die Geburtenzahlen in jenen Ländern besonders niedrig, in denen es im 20. Jahrhundert nationalsozialistische oder faschistische Regime gegeben hat: Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, Griechenland. Offensichtlich wirkt sich das entsprechende Mutterbild der mythologisch aufgeladenen Volksgebärerin, die sich ausschließlich der Kinderaufzucht widmet, noch immer negativ aus. Jedenfalls liegen die Kinderzahlen in Ländern mit einer pragmatischeren Einstellung zur Bevölkerungspolitik und ohne faschistische Vergangenheit – Frankreich, England, USA, Skandinavien – durchgängig höher. Hier gibt es keine ideologisch aufgeheizten Debatten um angebliche »Rabenmütter« oder diffuse Ängste vor den vermeintlich negativen Folgen von »Fremdbetreuung.«

Das Problem sind also soziale und kulturelle Strukturen, die die Gesellschaft insgesamt betreffen. Dass alle Mütter Frauen sind ist eine Tatsache. Was genau aber Mutterschaft bedeutet, welche Aufgaben eine Mutter hat und wie sie ihre Rolle ausfüllt, das ist Interpretationssache, es ist Kultur, nicht Natur. Und zwar eine Kultur, die Frauen aktiv mitgestalten, indem sie Entscheidungen über ihr Leben treffen. Die Frage, wie eine Gesellschaft Mutterschaft definiert, ist eine politische Frage, das heißt, wir müssen und können darüber verhandeln und uns so oder so entscheiden – jede Frau für sich ebenso wie die Gesellschaft als Ganze. Sehr bedenklich finde ich es deshalb, dass derzeit wieder der Biologismus Aufwind hat, also die Vorstellung, die Rolle der Frau lasse sich aus ihrer Natur, aus ihrem Körper, aus ihrem Wesen ableiten.

Das war ja das, was die bürgerlich-männliche Philosophie immer behauptet hat, und wogegen der Feminismus zu Felde gezogen ist: Dass alles, was die Familie betrifft, das Kinderkriegen und Großziehen, die Sorge um Kranke und Schwache, die ganze Hausarbeit – dass das alles etwas »nur Privates« sei, womit sich die Politik und auch die Wirtschaftspolitik nicht beschäftigen muss. »Das Private ist politisch« hat hingegen die Frauenbewegung gesagt und damit recht gehabt. Die Frage, wie wir Beziehungen gestalten, auch die zwischen Frau und Mann und zwischen Eltern und Kindern, ist eine politische Frage.

Und im Bereich der Politik geht es nicht um Naturgesetze, sondern um Wünsche, Meinungen, Ideen, Vorschläge. Das Wesen der Politik ist Pluralität, also Vielfalt und Differenz – unterschiedliche Menschen tun unterschiedliche Sachen und finden unterschiedliche Dinge richtig. Das gilt auch, wenn diese Menschen Frauen sind. Deshalb sollten wir uns endlich einmal von der Vorstellung verabschieden, alle Frauen müssten mehr oder weniger dasselbe machen. Frauen haben keine naturgegebenen Pflichten und Aufgaben – ebenso wenig wie Männer. Natürlich ist jede Frau geprägt und beeinflusst von ihrem Körper und von der Biologie, ebenso wie von ihrer Erziehung und der Kultur, in der sie aufgewachsen ist. Aber das ist doch nur ihr Ausgangspunkt. Worauf es schließlich ankommt ist das, was eine Frau dann tut. Und das ist – genau darin liegt ja das Spannende – normalerweise eben etwas anderes, als das, was ihre Geschlechtsgenossin von nebenan tut. Frauen sind freie, handelnde, verantwortliche Wesen, und ihre vielen unterschiedlichen Ideen und Visionen sind wichtig.

Schaut man sich allerdings die aktuellen Veröffentlichungen zum Thema Kinderhaben an, dann ist da nichts zu lesen von der Vielfalt weiblicher Ideen und Visionen zum Zusammenleben der Generationen. Was uns da begegnet, ist immer wieder eine steretoype Masse namens »die Frauen«, die statistisch vermessen wird und durch diese oder jene Maßnahme auf Norm getrimmt werden soll.

Zum Beispiel scheinen sich viele eine gute, also den eigenen Bestand kontinuierlich reproduzierende Bevölkerung so vorzustellen, dass jede Frau die dafür statistisch notwendigen zwei Kinder auch höchstpersönlich bekommt. Kinderlose Frauen gelten ebenso als bevölkerungspolitische Irrgängerinnen wie Frauen, die mehr als drei Kinder haben. Der Statistik ist es aber schlichtweg egal, ob ein neu geborenes Kind das erste, zweite, dritte, vierte oder fünfte ist. Für das bevölkerungspolitische Ziel, die Fertilitätsrate zu erhöhen, ist das Ideal der Zwei-Kind-Familie schädlich. In den USA oder in Schweden etwa ist die Quote der lebenslang kinderlosen Frauen fast genauso hoch wie in Deutschland, und dennoch liegt die Fertilitätsrate im bestandserhaltenden Bereich: weil diejenigen Frauen, die Mütter sind, dort nicht eins oder zwei, sondern drei, vier oder fünf Kinder haben.

Es wird immer Frauen geben, die keine Kinder haben möchten. Wer mit Leidenschaft berufliche Ziele verfolgt und entsprechende Schwerpunkte im Lebenslauf setzen möchte, lässt sich mit äußeren Anreizen oder Sanktionen nicht zu einer Elternschaft bewegen. 44 Prozent der kinderlosen Frauen geben an, dass sie ohne Kinder zufrieden sind – woraus sich durchaus schließen lässt, dass diese Frauen auch bei großzügigster Familienförderung an ihrem Lebensstil nichts ändern würden. Maßnahmen, die effektiv sein wollen, müssen sich doch wohl sinnvollerweise auf die 56 Prozent kinderloser Frauen richten, die mit diesem Zustand nicht zufrieden sind.

Man kann natürlich auch an diesem Punkt die Frage nach der Gerechtigkeit stellen: Leben die Kinderlosen nicht auf Kosten der anderen? Profitieren sie nicht unverhältnismäßig von unseren Sozialsystemen, die die Rente vergesellschaftet haben, die Kosten für die Kindererziehung aber bei den Eltern belassen? In der Tat ist es mehr als überfällig, diesen Aspekt sorgfältig zu diskutieren. Allerdings wären zunächst einmal Kriterien zu entwickeln, wie der »generative Beitrag« Einzelner (wie das im Fachjargon genannt wird) quantitativ und qualitativ überhaupt erfasst werden kann. Eine schlichte Aufteilung in Kinderlose und Eltern ist jedenfalls vollkommen unsinnig. Quantitativ gesehen ist nämlich das »Ungerechtigkeitsverhältnis«, wenn man so will, zwischen einer Frau mit einem Kind und einer mit drei Kindern doppelt so hoch, wie das zwischen einer Kinderlosen und einer Frau mit nur einem Kind. Und qualitativ kann der generative Beitrag einer Kinderlosen, die sich zum Beispiel ehrenamtlich in der Hausaufgabenhilfe für sozial schwache Kinder engagiert, höher sein, als der eines biologischen Vaters, der ansonsten nichts zur Erziehung seiner Kinder beiträgt.

Hinter der offenbar unausrottbaren Aufteilung von Frauen in sich gegenüberstehende Spezies namens »Mütter« und »Kinderlose« steckt in Wahrheit nicht das Bemühen um Gerechtigkeit, sondern vielmehr, mal unterschwellig, mal offen ausgesprochen, die Vorstellung, erst durch die Mutterschaft werde eine Frau komplett und vollständig. Aber dieser Mythos transportiert nicht nur ein überholtes Frauenbild, er ist heute unter demografischen Gesichtspunkten im wahrsten Sinn des Wortes kontraproduktiv. Denn es ist eben nicht ein rasanter Anstieg der »Kinderlosen« für die prognostizierte Misere namens »Geburtenmangel« verantwortlich, sondern der Anteil der Frauen, die früher vier oder fünf Kinder hatten, ist geschrumpft. Nicht die Kinderlosen haben sich in erster Linie verändert, sondern die Mütter: Sie bekommen heute nur noch zwei oder noch häufiger sogar nur ein Kind – ganz im Sinne der Propaganda vom weiblichen Wesen. Denn für die imaginierte »Komplettierung« ihres Frauseins durch die Erfahrung der Mutterschaft reicht ein Kind ja völlig aus.

Natürlich ist es eine voll und ganz zu respektierende Entscheidung, wenn eine Frau nur ein Kind haben möchte. Bedenklich ist jedoch eine Kultur, die Familien mit vielen Kindern fast schon für asozial hält, und die Frauen, die in der Mutterschaft nicht nur eine kurze »Phase« und eine »Erfahrung« sehen, die sie nicht missen wollen, sondern die sich eine ganze Reihe von Jahren lang Zeit nehmen, um mehrere Kinder zu haben und groß zu ziehen, für tendenziell »unemanzipiert« hält, weil sie nicht den gleichen beruflichen Ambitionen folgen können wie ihre kinderlosen oder nur ein Kind habenden Geschlechtsgenossinnen. Was in der Tat heute ein großes Risiko ist. Denn »Nur-Hausfrau« zu sein, kann keine Option für ein ganzes Leben mehr darstellen. Dies ist ein Punkt, den diejenigen, die sich so vehement für die »Wahlfreiheit« der Frauen plädieren, sich ganz auf Familie und Muttersein beschränken zu dürfen, leider meist außer acht lassen. Denn dass diese Wahlfreiheit längst schon nicht mehr existiert, ist ja keineswegs die Schuld der Feministinnen, sondern eine schlichte Folge der demogafischen und der wirtschaftlichen Entwicklung.

Selbst mit drei oder vier Kindern ist eine Frau ja allerhöchstens 20 Jahre beschäftigt – bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren ist das zu wenig an »aktiver« Zeit. Und kaum noch ein Mann ist doch bereit, seine Frau ein Leben lang zu finanzieren: Erst vor kurzem wurde ja auf Betreiben von Männern, etwa von der organisierten Väterbewegung, das Unterhaltsrecht entsprechend geändert: Kinder, die sie nach der Scheidung mit neuen Frauen zeugen, haben jetzt gleiche Unterhaltsrechte, wie Kinder aus früheren Ehen, und das Recht von Ex-Ehefrauen auf Unterhalt wurde weitgehend abgeschafft. Das heißt, schon jetzt ist es keine realistische Option für eine Frau, sich auf ihre Hausfrauen- und Mutteroption zu verlassen. Wenn Frauen ihre beruflichen Ambitionen hinten anstellen, um sich der Erziehung von Kindern zu widmen, dann bedeutet das heute viel mehr als in früheren Generationen ein wirklich großes Opfer. Denn für die Zeit »danach« – und die kommt nun mal unweigerlich – haben sie sich viele Optionen verschlossen. Mit dieser Situation müssen wir realistisch umgehen und können nicht so tun, als ob wir noch oder wieder in den 50ern wären – auf Kosten der Frauen, die ihre Berufstätigkeit durch solche Propaganda möglicherweise vernachlässigen und die dann irgendwann auf Hartz IV landen, wenn ihr Mann sie und ihre Kinder mit einer Jüngeren verlässt.

Es ist deshalb nur »vernünftig« – im Sinne der Marktlogik unserer gegenwärtigen Erwerbsarbeitsgesellschaft – wenn die meisten Frauen versuchen, diese Kinderphase möglichst kurz zu halten und quasi nebenbei abzuwickeln. Man muss eben heutzutage (Stichwort »Eigenverantwortung«) den eigenen Marktwert pflegen. Deshalb nehmen so viele Frauen mit kleinen Kindern in Kauf, dass sie extrem belastet und überarbeitet sind. Jede Frau, die Kinder hat, vollführt einen Balanceakt zwischen den Anforderungen der Kinder und denen des Arbeitsmarktes. Natürlich leiden darunter auch soziale Beziehungen und möglicherweise auch manche Kinder: Was nebenbei erledigt wird, wird eben meistens nicht wirklich gut erledigt. Aber wessen Schuld ist das? Haben die Frauen denn überhaupt eine andere Chance?

Im Grunde genommen gibt es derzeit in Deutschland überhaupt kein Modell dafür, wie eine Frau mehr als zwei Kinder haben kann, ohne damit ein sehr hohes persönliches Risiko einzugehen. Der Preis, den sie zahlen muss, ist der Verzicht auf viele Möglichkeiten, sich den eigenen Lebensunterhalt selbstständig auf einem angemessenen Niveau erwirtschaften zu können. Und das, wo gleichzeitig sozialstaatliche Sicherungssysteme zurückgefahren werden und immer weniger Männer geneigt (oder auch in der Lage) sind, den »Familienernährer« abzugeben. Mütter von drei, vier oder fünf Kindern stammen deshalb entweder aus sehr wohlhabenden Verhältnissen, sind also aufgrund ihres Vermögens auf Erwerbsarbeit nicht angewiesen oder verdienen genug, um einen Großteil der Haus- und Erziehungsarbeit an bezahlte Kräfte delegieren zu können. Oder es sind Frauen aus den unteren sozialen Schichten, die aus verschiedenen Gründen für sich im Erwerbsarbeitsmarkt sowieso keine Chance sehen. Den anderen bleibt gar nichts anderes übrig, als es bei zwei Kindern zu belassen.

Wer an diesem unbefriedigenden Zustand etwas ändern will, darf nicht die Frauen mit moralischen Appellen überschütten, sondern muss sich dafür einsetzen, dass unsere Gesellschaft neue Modelle von Arbeit, Einkommensverteilung, Wertschätzung und gesellschaftlichem Einfluss (sowohl in symbolischer, als auch in finanzieller Hinsicht) findet. Solange für das Problem der strukturellen Unmöglichkeit von Vielkind-Familien keine Lösung gefunden wird, kann die Fertilitätsrate gar nicht signifikant ansteigen.

Entsprechende Diskussionen haben zum Glück längst begonnen, zum Beispiel mit dem Vorschlag eines leistungsunabhängigen Grundeinkommens, mit dem Versuch also, Arbeit und Einkommen zu entkoppeln, oder auch mit Ideen für eine Umgestaltung des Arbeitslebens, damit sich Arbeitsbedingungen nicht nur an den Interessen der Unternehmen orientieren, sondern auch an den Notwendigkeiten der Familienarbeit. Auch hier sind Feministinnen wieder mal Vorreiterinnen, anders übrigens, als die meisten Herren, die sich so gerne als Bevölkerungsexperten zu Wort melden, denen nichts anderes einfällt als sich die goldenen Zeiten des Patriarchats wieder zu wünschen. Diese Zeiten werden aber nicht wieder kommen, erstens weil die Frauen das nicht wollen und zweitens weil auch der Rest der Welt – und gerade auch die Wirtschaft – längst nach ganz anderen Prinzipien funktioniert.

Bei all dem müssen wir uns außerdem klar machen, dass es so gut wie unmöglich ist, mit Hilfe von Bevölkerungspolitik das Gebärverhalten von Frauen steuern zu wollen. Die Entscheidungen, warum Frauen Kinder bekommen oder keine und wenn, wie viele, sind so komplex, hängen von so vielen unterschiedlichen Faktoren ab, dass einzelne Maßnahmen darauf so gut wie keinen Einfluss haben.

Womit wir wieder beim Feminismus wären: Eine gute feministische Gesellschaft nämlich ist keine, in der alle Frauen dasselbe machen, sondern eine, in der jede Frau in Freiheit ihrem eigenen Begehren folgt, in der sie sich mit ihren individuellen Wünschen und Ideen heimisch fühlen, sich einbringen kann und gehört wird. Es gibt keine einheitliche Masse namens »die Frauen«, sondern eine große weibliche Vielfalt. Frauen sind Individuen, sie machen Unterschiedliches, haben verschiedene Wünsche und Absichten, und diese Vielfalt weiblicher Lebensentwürfe ist nichts Bedrohliches, sondern eine Quelle gesellschaftlichen Reichtums. Es gibt keine gott- oder naturgegebenen Lösungen für politische Probleme, und das stimmt auch für den Bereich der Bevölkerungs- und Familienpolitik. Damit gute Lösungen gefunden werden, kommt es deshalb ganz entscheidend auf die Ideen und die Innovationskraft von Frauen an.

Und das gilt nicht nur für die Frage, wie wir mit Kindern zusammen leben, sondern auch für die Frage, wie wir das Alter als eigenständige Lebensphase mit ihren speziellen Bedürfnissen und Möglichkeiten nutzen.

Es wird ja inzwischen schon viel über die Notwendigkeit nach lebenslangem Lernen, nach neuen Altersbildern, nach Aktivität und Engagement von Älteren diskutiert. Leider geschieht das meist aus einer männlichen Perspektive. So wird zum Beispiel gefordert, dass sich die Lebensläufe ändern müssten, dass wir flexibler werden und immer weiter dazu lernen und uns auch in höherem Alter noch mal umorientieren müssten. Aber ist das für Frauen denn wirklich etwas Neues? Frauen hatten doch schon immer gebrochene Arbeitsbiografien, viele Frauen haben im Alter von um die Fünfzig, wenn die Kinder aus dem Haus waren, noch einmal mit einer neuen Arbeit oder einer neuen Ausbildung begonnen. Frauen hatten ja nie mehrheitlich diese Karrieren, in denen es stetig aber sicher bergauf ging. Und muss man den Scharen älterer Frauen, die die Volkshochschulen oder Universitäten des dritten Lebensalters besuchen, wirklich erst erklären, dass lebenslanges Lernen notwendig ist? Das machen sie doch schon längst.

Ich glaube in der Tat, dass hier Frauen Protagonistinnen, Vorreiterinnen einer gesellschaftlichen Veränderung sind, dass sie vieles schon ausprobieren und leben, was die Männer in der heutigen Demografiedebatte gerade erst als neues Feld für sich entdecken. Leider gilt die alte Frau in unserer Kultur nicht viel. Ich nenne das das Miss-Marple-Prinzip. Miss Marple weiß gut Bescheid, aber sie wird leicht übersehen, niemand hört auf das, was sie sagt. Das ist aber schlecht für unsere Gesellschaft, wir brauchen das Wissen und das Engagement der Miss Marples.

Was ich mir von der älter werdenden Gesellschaft erhoffe, das ist ein realistischeres Menschenbild. Derzeit wird immer noch so getan, als seien alte Menschen irgendwie ein Sonderfall, der Probleme verursacht: Sie sind langsam, brauchen Hilfe oder sogar Pflege, kosten Geld, leisten nichts. Aber das stimmt ja so nicht. Auch hier wird mit falschen Bildern argumentiert. Zum Beispiel wenn wir inzwischen ja schon Alter automatisch mit »Pflegebedürftigkeit« assoziieren. Aber nur ein kleiner Teil der Menschen wird im Alter pflegebedürftig, und das meist auch erst im Bereich der Hochaltirigkeit, also mit weit über 80 Jahren. Und: Pflegebedürftig zu sein, heißt nicht, dass ein Leben wertlos ist, dass jemand nichts mehr für die Gesellschaft beizutragen hätte. Auch Kinder sind wertvoll, haben ihre Sicht auf die Dinge und können das Zusammenleben bereichern, auch wenn sich jemand 24 Stunden am Tag um sie kümmern muss. Dasselbe könnte für pflegebedürftige Alte gelten.

Auch an diesem Punkt ist es wichtig, dass wir uns vor Augen führen, dass äußere Rahmenbedingungen uns auf nichts festlegen. Ein großes Problem bei den derzeitigen Debatten ist, dass wir häufig aus den jetzt Alten auf die zukünftig Alten schließen. Das ist aber eine Fehlschluss. Denn, soziologisch gemessen, ist nur etwa ein Drittel aller Eigenschaften und Verhaltensweisen, die wir an alten Menschen beobachten, tatsächlich auf ihr Alter zurück zu führen, also auf die Zahl ihrer Lebensjahre. Zwei Drittel sind biografische Prägungen, haben also etwas damit zu tun, in welchen Zeiten wir aufwachsen und was wir erlebt haben. Das heißt: Die Alten der Zukunft, also wir, werden ganz anders sein, als die Alten heute. Und wir können ja auch schon sehen, dass die Alten heute schon ganz anders sind, als die Alten früher waren. Das Alter und wie es aussehen wird, ist kein unabänderliches Schicksal, sondern es ist Gegenstand von persönlicher Gestaltung, von politischen Aushandlungsprozessen.

Vor ein paar Wochen war ich zum Beispiel zu Gast im Beginenhof in Unna. Frauen aller Generationen leben hier in einem Haus mit 18 Wohnungen zusammen, Frauen mit Kindern und ohne Kinder. Viele der älteren Frauen, die hier eingezogen sind, haben sich bewusst für diese Lebensform entschieden, haben ihre früheren Wohnungen und Häuser verkauft, weil sie darunter gelitten haben, dass sie dort nichts mehr zu tun hatten, dass sie wenige Kontakt zu der Nachbarschaft hatten, dass sie einsam waren. Im Beginenhof können sie Aufgaben übernehmen für andere, nicht nur für sich selbst, können die jüngeren Frauen, die zwischen Erwerbs- und Familienarbeit aufgerieben werden, entlassen. Eine ihrer Wohnung vermieten sie, etwa für Referentinnen wir mich. Die Frau, bei der ich zum Frühstück eingeladen war, erzählte mir, dass sie am Nachmittag »Ersatzoma« ist für ein Mädchen aus dem Haus, dessen »echte« Großmutter zu weit weg wohnt, um sie zum Omatag in die Kindertagesstätte zu begleiten. Es gibt schon viele solcher innovativen Projekte, die meisten davon sind von Frauen initiiert und angestoßen, und sie machen mich optimistisch für mein eigenes Alter.

Eine Welt, die damit rechnet, dass alte Menschen in ihre Leben, wird aber nicht nur für die alten Menschen gut sein, sondern für alle: Stellen Sie sich einmal vor, wir würden unsere Welt so einrichten, dass alte Menschen gut in ihr leben könnten: Alle Schilder wären so groß und kontrastreich beschrieben, dass man sie gut lesen kann, die Ampelphasen wären lang genug, dass auch langsam gehende Menschen über die Straße kommen, überall gäbe es Rampen und Aufzüge, an der Kasse im Supermarkt könnte man wählen zwischen Schlangen für Eilige und Schlangen für solche, die Zeit haben. Würde das nicht auch jungen Menschen zugute kommen? Würden nicht auch sie sich über verständliche Bedienungsanleitungen freuen? Wären nicht auch sie dankbar für den Aufzug, wenn sie mit Kinderwagen unterwegs sind oder Getränkekisten schleppen müssen? Eine Welt, die für Alte und Schwache lebenswert ist, ist für alle lebenswerter. Denn wir sind alle alt und schwach – manchmal zumindest, und wenn es nur daran liegt, dass wir am Abend vorher zu viel gefeiert haben.

Ich bin deshalb der Meinung, dass wir uns von der Veralterung äußerst positive Impulse für die gesamte Gesellschaft erwarten dürfen, und dass es gut ist, wenn es mehr Alte werden. Allerdings nur dann, wenn wir uns von überkommenen Altersklischees entfernen. Denn die zukünftigen Alten werden nicht so sein, wie die heutigen Alten, ebenso wie die heutigen Alten ja auch schon nicht mehr so sind, wie die Alten der Generation vor ihnen.

Satt wie das Kaninchen vor der Schlange auf einen Berg von Problemen zu starren und keines davon wirklich anzugehen, können wir mit Zuversicht diese Zukunft gestalten, nach unseren eigenen Wünschen. Wir können Verbündete werden jener jungen Frauen, die auf vielfältigste und unterschiedliche Weise versuchen, gute Lösungen zu finden für das gesellschaftliche »Vereinbarkeitsproblem«, die Vereinbarkeit nämlich zwischen marktwirtschaftlicher Erwerbsarbeitslogik auf der einen Seite und den Erfordernissen häuslicher Care- und Pflegearbeit, den Bedürfnissen von Kindern und Privatleben auf der anderen Seite. Und wir können Verbündete werden jener Miss Marples, die mit neuen Möglichkeiten für ein erfülltes Leben jenseits von Menopause und Hochleistungsbereitschaft experimentieren, mit neuen Altersbildern, Wohnformen, Lebenswegen. Gestützt auf diesen Reichtum der weiblichen Vielfalt kann jede Frau, gestärkt durch eine lange Geschichte weiblicher Kultur, sich mit ihren persönlichen, individuellen Wünschen und Absichten einknüpfen in dieses »Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten«, wie Hannah Arendt es genannt hat. Das ist dann keine Frauenpolitik mehr, sondern eine Politik der Frauen. Und ich meine, unsere Gesellschaft und insbesondere ihre Medien täten gut daran, diese Politik ernster zu nehmen, als bisher.


Vortrag in Siegburg, 10.5.2007 und am 4.9.2007 im Frauenforum Kreis Aachen


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