Antje Schrupp im Netz

Konkurrenz unter Frauen

Das Thema Konkurrenz ist wichtig, es gibt viele Bücher und Artikel darüber, viele Beispiele, alle reden darüber. Aber was ist eigentlich der Punkt?

Ähnlich wie bei Neid: Ich erlebe keine Konkurrenz zu anderen Frauen – ich empfinde sie nicht als Konkurrenz, und wenn sie mich als Konkurrenz empfinden, habe ich keine Probleme damit. Kein realer Unterschied, sondern ein symbolsicher: Eine Frage der Interpretation

Ist es ein Sensationsthema? Jedenfalls ist es populär. Bücher, Seminare usw. Dabei spielen viele Klischees eine Rolle: Stutenbeißerinnen, Kratzbürsten, sich prügelnde Frauen im Film. Es gefällt den Männern, wenn Frauen sich streiten, 1. weil sie sich dann nicht mit ihnen streiten und 2. weil es dem herkömmlichen Rollenverhalten widerspricht, und das ist immer sensationell.

Aber auch wenn man jenseits der Klischees geht, und die Erfahrungen und Erzählungen von Frauen ernst nimmt, dann ist Konkurrenz immer noch ein wichtiges Thema. Fast alle Frauen können davon Geschichten erzählen, bringen vielfältige Beispiele. »Ungerechtfertigte Kritik«, »bloßstellen«, »eigene Unzulänglichkeiten vertuschen«, Tratschtante usw.

Damit steht in merkwürdigem Widerspruch, dass oft die gleichen Frauen in Umfragen die Frauen für höhere Kooperationsbereitschaft, Einfühlungsvermögen usw. loben.

Aber diese Beispiele sind eher banal. Normale zwischenmenschliche Themen, nicht alle sind immer nett zu mir, es gibt solche und solche. Frage: was ist die gesellschaftliche Relevanz? Der theoretische Gewinn? Die historische Entwicklung?

Ich mache hier mit diesem Vortrag keinen Ratgeber nach dem Motto: Was soll ich tun? Sondern versuche zu verstehen, was passiert, und ob man andere symbolische Bedeutungen dafür finden kann.

Fest steht: Frauen haben mit Konkurrenz mehr Probleme als Männer. Gründe: 1. Gute Beziehungen als Kriterium für Wohlfühlen in der Arbeit liegen bei Frauen unter den ersten fünf, bei Männern selten unter den ersten zehn. Kein Wunder also, dass sie mit Konkurrenz mehr Probleme haben. Denn bei Konkurrenz stehen zwei oder mehr gegeneinander. – 2. Frauen sind nicht so trainiert – 3. Frauen geben den Dingen eine andere symbolische Bedeutung. Es ist für sie nicht nur ein Spiel. Dieses Unbehagen sollten wir nicht wegtrainieren, sondern ernst nehmen.

Definition des Begriffes Konkurrenz und was es beinhaltet, der Definition von Erfolg gegenüberstellen

  • con-Correre (zusammen laufen, mit laufen): Wettlauf, zusammen rennen. Das Setting ist: Zwei laufen nebeneinander her (ohne Beziehung) in dieselbe Richtung (also nicht dorthin, wo sie wollen, die Richtung ist vorgegeben). Und Gewinner ist nicht, wer ankommt, sondern wer schneller ankommt, als die anderen. – die Frage ist also nicht: Was ist angemessen, um mein Ziel zu erreichen (Begehren) sondern um die andere auszustechen. Der Maßstab sind die Konkurrenten, nicht das Ziel.

  • der Schiedsrichter ist »objektiv«, d.h. extern, z.B. Stoppuhr, der Punktrichter. Wenn Konkurrenz im Spiel ist, dann bin ich nicht mehr selber Maßstab meiner Leistungen, sondern habe diese Bewertungsaufgabe sozusagen nach außen delegiert. Es geht nicht um die Frage: Ist es gut oder schlecht, sondern um die Frage: Wer ist besser, wer ist schlechter? (Es gibt nur einen Gewinner, selbst wenn alle ziemlich gut sind). Hundertstel Sekunden messen.

  • Was ist der Sinn einer solchen Veranstaltung? Die Leistungen »vergleichbar« zu machen, um den Besseren, den Gewinner zu ermitteln. Das kann zwei Gründe haben: 1) Es ist notwendigen, den Besseren zu identifizieren 2) Es ist nicht notwendig, man macht es aber trotzdem, also aus symbolischen Gründen, z.B. weil es Spass macht oder weil es die eigene Identität konstituiert. Im ersten Sinn (weil es notwendig ist) konkurrieren auch Frauen, im zweiten Sinn, weil es Spaß macht, möglicherweise auch, aber nicht, weil es die eigene Identität konstituiert, denn es ist nur die männliche, die sich darüber konstituiert, wie ich später noch zeige.

  • Konkurrenz, Wettkampf, funktioniert nur, wenn die Beteiligten als Gleiche gedacht werden, beide haben die gleiche Ausgangsposition, müssen das gleiche machen,

  • bei Konkurrenz kommt es deshalb sehr auf Fairness an, Unfairness ist ein großes Problem, denn dadurch wird das Ergebnis verzerrt. – wichtig ist aber: Das hat überhaupt nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Denn die würde sich an den individuellen Unterschieden orientieren – laufen Behinderte mit nicht-Behinderten? Habe ich heute gut geschlafen oder schlecht? Hat jemand persönliche Probleme? All diese individuellen Unterschiede werden bei Fairness aber gerade nicht berücksichtigt. Es geht nicht um die Leistung, sondern nur um das Ergebnis.

Die individuellen Unterschiede bleiben bei der Konkurrenz außen vor, es wird so getan, als seien alle Konkurrenten gleich, was natürlich niemals stimmt. Fairness bedeutet lediglich, dass unter Konkurrenten, die als Gleiche gesehen werden, der Beste gewinnt, dass also nicht einer gewinnen kann, obwohl er gar nicht der Beste ist.

  • deshalb sind auch Spiele so langweilig, wo einer einen Vorsprung bekommt, weil er sowieso um Längen besser ist. Das ist dann eben kein »richtiger« Wettbewerb.

  • und der Beste ist eben, wer das Ziel am schnellsten erreicht, nicht wer die meisten Hindernisse dabei überwindet (etwa die eigene Faulheit oder Dickleibigkeit).

  • der Zweck der Konkurrenz ist: Möglichst den finden, der die gestellte Aufgabe objektiv am besten bewältigt. Es geht dabei nicht darum, den Beteiligten gerecht zu werden, sondern dem anvisierten Ziel. Es soll der Mensch gefunden werden, der am schnellsten 100 Meter läuft – und die Regeln gibt es nicht, damit es gerecht zugeht, sondern damit nicht der Zweitbeste gewinnt, nur weil er sich dem Allerbesten gegenüber einen unlauteren Vorteil verschafft hat.

Es ist daher Quatsch, für Konkurrenzsituationen zu fordern, dass die Regeln »gerechter« werden. Etwa neue Auswahlkriterien bei Stellenbesetzungen, die weibliche Qualitäten, so genannte »soft skills« berücksichtigen. Durch solche Änderungen wird es nicht gerechter, es werden nur die Ziele verändert, der Maßstab, der die Effektivität bestimmt, die angestrebt werden soll.

Historische Komponente

  • Konkurrenz ist eine Art, um das Verhältnis von Menschen zu bestimmen. Eine Form von Beziehung also, die jedoch nicht zwischen den Menschen liegt, sondern auf ein Drittes, Äußeres gerichtet ist, das Ziel eben.

  • Konkurrenz: effektiv im Umgang mit Mangelsituationen. Wenn es um knappe Ressourcen geht, entsteht unweigerlich Konkurrenz – denn nicht alle können das Ziel, sich mit den knappen Ressourcen zu versorgen, erreichen. Wenn es etwa nur eine Stelle gibt, aber fünf Bewerberinnen, dann werden die in Konkurrenz gehen – bzw. jeder der eine solche Stelle besetzen will und die Beste dafür haben will, wird einen Wettbewerb ausloben. (Das Problem der ganzen Assessment-Centers ist nicht, dass sie Konkurrenz machen, sondern dass sie schlechte Kriterien haben). Beispiel Telefontarife.

  • Konkurrenz, als Mittel, im Kampf um knappe Ressourcen den Besten zu finden, ist eine sehr unbarmherzige Methode, hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, aber es ist effektiv. Zum Beispiel in der Wirtschaft. Das heißt: Wenn wir es mit einem objektiven Mangel zu tun haben, dann ist Konkurrenz ein angemessenes Verhalten, um uns das, was wir brauchen, zu sichern. Man sollte also immer fragen: Ist die Situation wirklich so, dass es nötig ist, dieses ungerechte, ja erbarmungslose Verfahren der Konkurrenz anzuwenden?

  • Frauen standen historisch in einer Konkurrenz um die Männer, da sie sie zum Lebensunterhalt brauchten, aber nicht genügend Männer da waren. Dies war ein realer Mangel, der auf die Psyche und die Gewohnheiten übertragen wurde. Es hatte sich zeitweise in die Identität der rauen eingenistet, das ist aber nach dem Ende des Patriarchats vorbei. Immer mehr Frauen entscheiden sich, in diesem Bereich nicht zu konkurrieren. Geblieben ist aber der Wettbewerb um Schönheit, Sexy sein usw. – eine ganz alte Geschichte, Spieglein, Spieglein an der Wand…

  • Vor der Industrialisierung gab es Konkurrenz auch für die Männer überwiegend nur in dieser realen Form. Wenn es nicht um den Streit um knappe Ressourcen ging, konkurrierten die Menschen nicht, sie hatten ihren Platz ja von Geburt an zugewiesen (letzter Vortrag)

  • Gleichzeitig gibt es auch schon lange einen symbolische Mangel, der identitätsstiftend ist für das Männliche. Die Olympiade wurde schon in antiken Zeiten erfunden. Nur Männer trieben Sport, sie fanden den Schnellsten, Stärksten, Geschicktesten heraus, und zwar auch bei den Dingen, die keine reale Grundlage hatten (wie die Konkurrenz der Frauen um den Mann). Ich glaube nicht, dass das alles nur sich aus der Steinzeit herleiten lässt, zumal es andere Kulturen gibt, in denen Männlichkeit symbolisch etwas anderes bedeutet, als Stärker und Schneller zu sein.

  • Mit der Industrialisierung und der Marktwirtschaft entstand aber Konkurrenz als vorherrschendes und maßgebliches Verhalten zwischen Menschen im öffentlichen Raum, und zwar nicht nur im Spiel, sondern in der Wirtschaft und in der Politik. Denn es ging um möglichst effektive Ausbeutung von Ressourcen, um Fortschritt und Erfindungen, um reich werden usw. D.h. die Dinge, die Konkurrenz brauchten, wurden gesellschaftlich ganz wichtig. Kritischer Blick auch auf die Entstehung der Demokratie: Wahlen usw.

  • philosophisch untermauert: Adam Smith: Invisible Hand – wenn alle nur ihren egoistischen Interessen folgen, wird das bestmögliche entstehen. Lobpreis an Konkurrenz und Marktwirtschaft als angenommene Lösung aller Probleme.

  • dazu entstand aber neben dem realen Mangel auch ein symbolischer Mangel. Absichtliche Güterverknappung, um die Preise hoch zu halten, z.B.

Mit Entstehung des Kapitalismus wurden, so meine These, der symbolische und reale »Konkurrenzbedarf« der Männer in eins gesetzt. Der symbolische, der bis dahin nur ein Spiel, eine Inszenierung war, wurde nun interpretiert als die Grundregeln jeder Gesellschaft, jeden sozialen Zusammenlebens.

Das funktioniert natürlich in der Realität nicht, Adam Smith hat nicht Recht, und das wussten kluge Männer auch damals schon. Konkurrenz allein regelt die Gesellschaft nicht, weil sie von der Realität (den konkreten, individuellen Bedürfnissen der Menschen, zum Beispiel dem, geliebt zu werden unabhängig von Leistung) absieht. Konkurrenz braucht also eine Gegenseite. Es war daher kein Zufall oder ein zu vernachlässigender Seitenschlenker, dass diese ganze Entwicklung zu einer Trennung der Spähren von weiblichem und männlichem Leben geführt hat.

  • nach Hegels Rechtsphilosophie ist Konkurrenz die Form der Beziehung in einer Bürgerlichen Gesellschaft, und zwar ab dem Moment, wo der Mann als Oberhaupt der Familie in Außenkontakte mit anderen Männern und Familienoberhäupten tritt. Ist nach Hegel die Beziehungsform in der Familie die »unmittelbare Einheit«, d.h. ein Gemeinschaftliches, das keine unterschiedlichen Interessen kennt, so ist die Gesellschaft draußen der Ort, wo unterschiedliche Interessen aufeinander treffen und die Familienoberhäupter miteinander in Konkurrenz treten.

  • deshalb haben Männer auch selten private Beziehungen auf der Arbeit – Kumpanei und so schon, aber alles andere macht ihnen Stress. Oder eben Hackordnung. Sie erwarten die Vermischung von Privatem und Öffentlichem nicht, das macht es ihnen leichter, mit Konkurrenz auf der Arbeit fertig zu werden.

  • Schiedsrichter ihrer Aktivitäten ist der Markt, er belohnt die einen mit Erfolg und straft die anderen mit Misserfolg. Regelt systemimmanent die Verteilung von Ressourcen (Invisible Hand)

Klug beobachtet, v.a. weil Hegel weiß, dass dieser Status der Konkurrenz nur funktioniert, wenn sie ergänzt wird durch andere Beziehungsformen – die unmittelbare Einheit in der Familie, und die aufgehobene, höhere Einheit des Staates. Bleibt aber sehr abstrakt.

  • Wie auch immer: Die Frauen repräsentierten also historisch eine andere Beziehungsform als die Konkurrenz – zumindest insofern es um ihre Beziehungen zu Männern und Kindern ging.

  • Vor der Emanzipation konkurrierten Frauen also nicht mit Männern, sondern nur mit anderen Frauen. Und das Objekt, um das sie konkurrierten, war nur ein einziges: Der Mann. Konkurrierten die Männer sozusagen um die Welt (Gott, Macht, Einfluss, Wissen) so konkurrierten die Frauen um die besten Männer – denn die mussten dann als ihre Ehemänner ja sozusagen die Verhandlungen über die Welt stellvertretend für ihre Frauen übernehmen. Luisa Muraro hat das einmal als die größte Sünde des Patriarchats bezeichnet: Dass die Männer sich den Frauen gegenüber an die Stelle Gottes gesetzt haben – und dass die Frauen das zuließen.

  • Seit der Emanzipation sind Frauen aber auch in den Bereich der Konkurrenz mit den Männern gekommen. Dabei kam es aber zu einer Vermischung der Ebenen.

Folge: 1) Frauen brachten ihre Gewohnheiten und Werte aus der privaten, intimen, konkurrenzlosen Sphäre mit, was häufig zu Missverständnissen führte Alle Untersuchungen belegen, dass den Frauen gerade auch im öffentlichen Bereich das Private wichtig ist, sie arbeiten lieber mit Menschen zusammen, die ihnen nicht »fremd« sind. Das ist im Konkurrenzprinzip der bürgerlichen Gesellschaft aber nicht vorgesehen – denn es führt zu Korruption, indem etwa die Beziehungen mehr zählen als Regeln und Fairness. Das ist sozusagen die psychologische Seite, oder eine Frage der Gewohnheit, denn Frauen sind ja für die private Sphäre nach wie vor zuständig, erziehen Kinder, pflegen Alte, kümmern sich um Sozialkontakte und um die Nachbarschaft. Da ist es schwer, sozusagen »umzuschalten« auf das distanziert-Unpersönliche, sobald man auf die Arbeit kommt. Es ist die Seite, wo Frauen ein Problem haben mit der Situation. Diese Seite nimmt aber ab, weil Frauen durch Kurse und Trainings das inzwischen gelernt haben und diese Gewohnheiten für sich nicht mehr akzeptieren.

2) aber: Es ist auch ein strukturelles Problem. Denn es funktioniert nicht, dass einfach alle Frauen werden wie Männer, denn dann bleibt die andere Seite, die der Familie und der Harmonie, leer. Hegel hat aber gut gezeigt, dass beide Seiten einander brauchen. Wenn alle Menschen nur miteinander konkurrieren, also nur nach diesen Kriterien miteinander umgehen, dann bricht die Gesellschaft zusammen. Das beobachten wir derzeit. D.h.: Nicht nur die Frauen haben ein Problem, sondern die Gesellschaft als Ganze.

Das Thema Frauen und Konkurrenz hat also 3 Ebenen: Sie konkurrieren nach wie vor mit anderen Frauen um den besten Mann (bzw. die Anerkennung der Männer), sie konkurrieren mit den Männern um die Welt (so als wären sie Männer, weil sie den Zugang zu der symbolischen Ordnung der Männer haben), und sie konkurrieren mit anderen Frauen um die Welt (weibliche symbolische Ordnung, der Streit, was eine Frau ist und wie sie in der Welt handelt).

Dieser dritte Teil ist der eigentlich spannende. Fragt sich nur, ob Konkurrenz dafür ein geeignetes Modell ist, meiner Meinung nach nicht. Und ich glaube, Frauen haben auch schon längst andere Antworten gefunden, sie müssen sich dessen nur bewusst werden. Allerdings sind nicht alle »weiblichen« Strategien, wie sie in manchen Ratgeberbüchern angepriesen werden, solche Antworten.

  • viele Konflikte lassen sich auf eine Vermischung dieser drei Formen zurück führen, v.a. in der Arbeitswelt. Als etwa die ersten Frauen »wie Männer« sich den Zugang verschafften, ärgerten sie sich über die älteren Kolleginnen auf den unteren Ebenen (Sekretärin), die um den Mann konkurrierten. Heute ärgern sich jüngere Frauen über die älteren Kolleginnen, die »wie Männer« sind, denn sie erwarten von Frauen was anderes.

  • Frauen stellen an Frauen höhere Ansprüche, wird oft gesagt und kritisiert. Diese Kritik ist richtig, wenn wir uns auf der symbolischen Ebene des Patriarchats bewegen – wer sich darauf einlässt, darf sich von den Frauen nichts anderes erwarten, als von den Männern. Eine Chefin muss auch den Ansprüchen ihrer Mitarbeiterinnen »als Frau« genügen. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Ansprüche an männliche Chefs nicht gestellt werden. Der Anspruch ist richtig. Begehren ist Motor für etwas Neues: Wenn wir etwas von Frauen erwarten, geben wir ihnen Autorität (nicht, wenn wir ihre Schwächen tolerieren oder wegreden) – Richtig daran ist für Chefinnen: Ihre Position/Amt alleine reicht nicht. Sie müssen es mit Autorität füllen.

1) Wenn Frauen mit mir um den Mann konkurrieren wollen, dann ist das heute eine symbolische Ebene, meistens (außer der Mann ist ein wichtiger Chef) – d.h. ich kann die Entscheidung treffen, an diesem Punkt die Konkurrenz zu verweigern. Ich kann etwa entscheiden, diesem gut aussehenden Schnösel nicht gefallen zu wollen, und wenn sich auch alle meine Kolleginnen ihm an den Hals schmeißen. An diesem Punkt können Heteras viel von Lesben lernen. Es ist eine Frage der Symbolik: Gestehe ich diesem Mann wirklich die Autorität zu, der Maßstab für mich zu sein? Ist mir seine Anerkennung wirklich etwas wert?

2) Wenn Frauen mit Männern konkurrieren, sind sie zunächst einmal denselben Regeln unterworfen, die in der Konkurrenz-Logik, die den symbolischen Mangel verwaltet, gelten. Das bedeutet in mancherlei Hinsicht Nachteile, denn Frauen haben weniger Übung in dem Spiel, ihnen fehlen manche Qualifikationen, usw. Aber dafür gibt es ja all die Kurse und Coachings und Ratgeberbücher. Frauen haben aber auch Vorteile, sie können sich die Unsicherheit der Männer gegenüber Frauen zunutze machen. Alte Sache: Lobbyistinnen im US-Senat. Geschichte von Ärztin und Arzt, um den Finger wickeln.

Rede von »soft skills«, weibliche Qualitäten usw., dann ist auch das Konkurrenz, nur dass jetzt eben andere Fähigkeiten mit berücksichtigt werden. Kriterium ist immer noch: Verschafft es mir einen Konkurrenzvorteil.

  • gleichzeitig mit der Konkurrenz der Frauen mit den Männern im Bereich der männlichen Sphäre entstand auch das Bild der weiblichen Solidarität. Dahinter steht der Gedanke: Wenn Frauen mit einer Stimme sprechen, werden sie besser gehört. Das stimmt auch zuweilen.

Es ist aber wichtig zu sehen, dass das Modell Solidarität keineswegs ein Gegenmodell zum Konkurrenzmodell ist, sondern ein Teil davon. Es ist gleichzeitig entstanden, Bsp. Arbeiterbewegung, Gewerkschaften, Vereine, Handwerkskammern, Parteien – all das entstand gleichzeitig. Denn natürlich ist es ein Konkurrenzvorteil, mit anderen an einem Strang zu ziehen. Wir bleiben symbolisch im selben Bild.

Bei Frauen entstand aber das Missverständnis, sie hätten mit der Solidarität der harten kapitalistischen Welt etwas entgegengesetzt. Sie sehen – auch in neuerer Literatur – Solidarität als Alternative (soll ich solidarisch sein oder meinen Vorteil wahren) – man ist nur deshalb solidarisch, um einen Konkurrenzvorteil zu haben. Es ist daher nur folgerichtig, die Solidarität dann aufzukündigen, wenn sie einem nicht mehr nutzt, wobei die Kunst darin besteht, genügend langfristig zu denken.

Solidaritätsbewegungen sind Interessensvertretungen, nicht mehr. Wer solidarisch ist, geht keine wirkliche Beziehung ein, sondern lässt ja gerade die Differenz unberücksichtigt. Krabbenkorb usw. – eine Folge des symbolischen Wirrwarrs. Hat den Frauen geschadet – mehr als den Männern, die ein pragmatischeres Verhältnis zu Solidarität haben.

  • Aber das sind die zwei Forderungen, die bei diesem Diskurs erhoben werden: Die einen fordern, die Frauen müssten wieder zur Solidarität zurück kommen, die anderen fordern, sie müssten offen in die Konkurrenz zu anderen gehen, um Macht zu erringen.

  • Konkurrenz und Solidarität sind aber zwei Seiten derselben Medaille und die Medaille heißt: Gleichheit. Im Differenzdenken macht Konkurrenz ebenso wenig Sinn wie Solidarität.

Aktuelle Diskussion

  • Gegenmodelle im Differenzdenken haben wir ja schon diskutiert: Kooperation, um dem eigenen Begehren zu folgen, also nicht dahin rennen, wo andere hin wollen, sondern wo ich hin will, Beziehungen eingehen, Liebe usw.

  • Heute wird das schon allgemein gesehen. Vorgeschlagen wird, zwischen Kooperation und Konkurrenz ein ausgewogenes Verhältnis zu finden (weibliche und männliche Anteile in Balance bringen).

Das Richtige daran ist: Wir leben gleichzeitig in verschiedenen Welten, in verschiedenen symbolischen Ordnungen.

Es gilt aber nicht, eine Balance, einen Mittelweg zu finden, sondern je nach Situation ganz den angemessenen Weg zu gehen. In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod. Es geht vielmehr darum, zu sagen: In welchen Situationen verhalte ich mich nach dem Konkurrenzschema und in welchen nicht?

Also die Frage stellen: 1) Ist es wirklich eine Mangelsituation (wobei das selten ein Frage ist, die sich objektiv bewerten lässt, sondern eine Frage danach, wie ich eine Situation symbolisch bewerten will. Verstehe ich z.B. die offene Stelle als knappe Ressource, die ich brauche, oder ist diese Stelle mir gar nicht so wichtig?) oder 2) ist es ein Spiel, das durch die Konkurrenz mehr Würze bekommt und mehr Spaß macht?

  • Es ist eben ein symbolischer Fehler, Konkurrenz zum schlichtweg immer gültigen Beziehungsmuster zu erklären, auch wenn gar kein Mangel herrscht: Konkurrenz erzeugt einen symbolischen Mangel. Darauf basiert die kapitalistische Gesellschaft, die sozusagen selbst bei Überproduktion und ausreichenden Gütern einen symbolischen Mangel erzeugt, einfach durch ihre Unfähigkeit, die Güter zu verteilen. Daher ist auch die Konkurrenz mit den Männern logische Folge, wenn wir in die Welt der Männer eintreten. Die symbolische Ordnung des Patriarchats basiert auf dem symbolischen Mangel von allem, und daher ist Konkurrenz die Weise, wie man dort mit Differenz umgeht. Es sind die Mitläufer, die konkurrieren wollen – sie wollen das haben, was alle haben und was daher knapp ist. So entsteht symbolischer Mangel. Wenn wir uns entscheiden, in diesem System mitzumachen und etwas erreichen zu wollen, dann müssen wir das ganz tun, nicht die Konkurrenz abmildern

  • Vielleicht ist das eine Möglichkeit des kreativen Umgangs damit, dass wir bei der Arbeit oft mit Konkurrenzsituationen konfrontiert sind. Nehmen wir es als ein Spiel. Konkurrenz macht den Reiz eines Spieles aus, etwa beim Squash: Solange keine Punkte gezählt werden, strenge ich mich nicht an. Es macht Spaß, Kräfte zu messen, zu gewinnen – weniger zu verlieren. Aber das ist nicht wirklich existenziell wichtig. So wie ich mich zwar im Moment der Squash-Niederlage ärgere und im Fall eines Sieges freue – große Emotionen – so dauert das nur einen Augenblick. Nach dem Duschen habe ich meist schon vergessen, wer diesmal gewonnen oder verloren hat, es hat keine wirkliche Bedeutung.

Das Ganze ist weniger eine psychologische Frage, als eine philosophische. Ich möchte Ihnen zum Schluss einige Überlegungen anbieten aus der aktuellen italienischen Diskussion (es ist gerade ein neues Diotima-Buch erschienen), ich habe es gerade erst angefangen zu lesen und bin damit selbst noch nicht am Ende, aber es passte eben sehr gut zu unserem Thema heute.

Die westliche Philosophie hat sich viel Mühe gemacht, zwischen dem Ich und der Allgemeinheit, dem Subjekt und dem Objekt zu unterscheiden. Frauen haben diese Trennung nie so mitgemacht – was natürlich auch Gründe hat und nicht daran liegt, dass Frauen klüger sind, aber das würde jetzt zu weit führen. Luisa Muraro hat das mal schön in einem Aufsatz untersucht, wo sie sich mit der Frage beschäftigt, warum ihre Schülerinnen immer abschreiben. Wanda Tommasi hat im neuesten Diotima-Buch die Geschichte der männlichen Philosophie als eine Geschichte der Konkurrenz und der Abgrenzung beschrieben: Aristoteles grenzt sich von Platon ab, Hegel von Kant, Marx von Hegel usw. Es ist eine Geschichte des permanenten Vatermordes, die allein dadurch aber gerade die Väter auf das Podest gesetzt hat, weil sie immer mit überliefert werden.

Demgegenüber beschreibt Tommasi die weibliche Art, mit der Tradition umzugehen, als Liebe. Frauen lieben es, Übereinstimmungen zwischen ihrem Denken und dem der Tradition zu finden. Deshalb schreiben sie so viel ab, deshalb suchen sie Harmonie. Dahinter steckt das Wissen, dass man nie allein drauf gekommen ist. Frauen lieben es, sich in den Gedanken anderer wieder zu finden.

Das ist es auch, was ich am Anfang meinte, als ich sagte, die männliche Identität konstituiert sich über die Konkurrenz, die im krassesten Fall zum Vater- oder Brudermord führt. Ich muss mich von meinen Lehrern abgrenzen, um selbst eine Bedeutung zu haben.

Die weibliche Identität konstituiert sich aber nicht über Abgrenzung und Konkurrenz, sondern im Gegenteil über Zustimmung, über das Glück, das es bedeutet, die eigenen Gedanken und Ideen woanders schon formuliert zu finden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Wenn ich in einem Text einer anderen Philosophin meine eigenen Gedanken wieder finde, oft in viel besseren Worten, als ich es selbst ausdrücken könnte, dann denke ich nicht – wie viele Männer, die ich kenne – was ein Mist, warum bin ich nicht darauf gekommen? Sondern ich denke: Toll, die sagt dasselbe, wie ich fühle. Es ist die Freude an der Übereinstimmung.

Das ist aber auch keine kritiklose Wiederholung des Altbekannten. Denn wenn ich etwas liebe, verändere ich es auch, ich liebe das, was zu mir passt, und das, was nicht zu mir passt, ignoriere ich. Natürlich ist das auch kein ganz unproblematisches Vorgehen, aber es geht hier nur darum, den Unterschied im Prinzip klar zu machen.

Wanda Tommasi nennt diese weibliche Art, an die Tradition anzuknüpfen: Die Liebe, die das Geliebte verwirrt. Indem wir lieben, verändern wir die Welt, nicht indem wir uns abgrenzen und konkurrieren.

Das war die philosophische Ebene, über die man sicher noch diskutieren kann. Aber als ich, vor ein paar Tagen erst, diesen Aufsatz von Wanda Tommasi las, kamen mir viele Beispiele und Situationen in den Sinn, die ich in den letzten Wochen in Vorbereitung dieses Vortrags über weibliche Konkurrenz gelesen hatte:

  • Für Männer ist Konkurrenz ein Spiel, sie streiten sich und gehen hinterher zusammen einen trinken. Frauen nehmen alles persönlich, wird gesagt, und das tun sie zu recht. Aber dann haben wir diese Ebene der Männerkonkurrenz verlassen. (Auch Männer können diese Ebene verlassen)

Frauen können nicht trennen zwischen Strategien, sie nehmen alles immer gleich persönlich – das wird ihnen zurecht vorgeworfen und sie sollten sich das abgewöhnen, wenn sie sich auf der symbolischen Ebene des Patriarchats bewegen. Frauen stellen immer einen Ausgleich her, können ihre Interessen nicht vertreten – das sollten sich auf dieser Ebene auch abgewöhnen, denn es versetzt sie in einen Nachteil Aber sie haben evtl. andere »Gewinne«.

  • Wenn wir jedoch als Frauen unseren Ort in der Welt suchen, also in Beziehung zu anderen Frauen gehen, um unser Verständnis der Welt zu finden, dann ist Konkurrenz keine geeignete Form. Denn es geht nicht um einen Mangel, sondern um die Fülle unseres Begehrens, unserer Ideen, die Fülle an Möglichkeiten, weil ständig Neues entstehen kann. Es gilt daher, andere Formen der Differenz zu etablieren, andere Beziehungsformen für Ungleichheit zu finden – und Sie werden sich sicher nicht wundern, wenn ich hier weibliche Autorität ins Spiel bringe.

  • kein Wettlauf, sondern jede läuft in die eigene Richtung

  • die Größe der anderen ist keine Bedrohung, sondern eine Chance

  • wer bewertet? Ein externer, »unabhängiger« Schiedsrichter, oder jemand, dem ich Autorität gebe?

  • daher »Umschalten« im Kopf und die Konkurrenz ist weg (Beispiel Gabi von FU)

  • Das ist natürlich gar nicht so einfach, aber ein erster Schritt ist eben, diesen symbolischen Mangel zu beseitigen, der uns so selbstverständlich geworden ist. Was will ich? Was ist mein Begehren? Und ist es wirklich ein knappes Gut, um das ich mit anderen konkurrieren muss, oder will ich etwas, was im Überfluss da ist? Wenn ich nicht will, was alle haben, und was knapp ist, dann muss ich auch nicht konkurrieren.

Mir fällt noch etwas ein: Ich sagte ja, bei Konkurrenz muss es feste Regeln geben, das ist eine Frage der Fairness. Wenn es aber um existenzielle Dinge geht, dann tendieren die Menschen dazu, sich an Regeln nicht mehr zu halten. Lenin sagte einmal, wenn ein Volk Revolution macht, dann führt es keine geregelten Kriege mehr, dann ist zum Partisanenkrieg aufgerufen. Internationale Situation bestätigt das. Aber auch der Alltag. Sich an Regeln zu halten, ist nicht gut für die Kreativität. Wenn es um die existenziellen Dinge des Lebens geht, müssen wir alles ausprobieren dürfen.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich jetzt ein wenig abschweife – ich mache als Redakteurin gerade ein Heft zum Thema Frauen im Knast. Bei dieser Gelegenheit habe ich erfahren, dass nur 5 Prozent aller Inhaftierten in Deutschland Frauen sind, 3000 insgesamt. Nur 10 Prozent davon haben gefährliche und sozialschädliche Straftaten begangen, bei denen Menschen schwer verletzt oder getötet wurden oder ein Schaden von mehr als 500 Euro entstand. Bleiben also nur 300 von Frauen verübte gefährliche Straftaten übrige. 80 Prozent davon richteten sich gegen Familienangehörige und standen am Ende einer jahrelangen belastenden Zeit. Wenn man die auch noch rausrechnet, bleiben gerade mal 60 Frauen übrig, die in Deutschland wegen gefährlicher und sozialschädlicher Straftaten verurteilt sind. Soviel zum Thema Gefahr, des regellosen Lebens.

Das Verhältnis der Frauen zur Welt darf nicht in der symbolischen Ordnung des Mangels verhaftet bleiben. Stattdessen: Begehren, Autorität, Fülle, Neues in die Welt bringen, Dankbarkeit.

  • eine solche distanzierte Haltung können wir auch zu Konkurrenzsituationen auf der Arbeit haben, denn nur in dieser symbolischen Ordnung des Patriarchats hat Konkurrenz eine existenzielle Bedeutung. Wenn wir uns nicht mehr in dieser Ordnung bewegen, dann kommt es auf andere Dinge an.

  • Es geht also darum, wie Situationen zu interpretieren sind – Arbeit an einer neuen symbolischen Ordnung.

  • wenn wir jedoch auf die andere Ebene gehen, die der Differenz unter Frauen in ihrem Verhältnis zur Welt – dann sollten wir in der Tat von Frauen mehr verlangen als von Männern. Im Rahmen des Patriarchats ist eine solche Erwartung ungerecht, im Rahmen einer neuen symbolischen Anspruch ist er Ausdruck dafür, dass es die Beziehungen unter Frauen sind, die eine neue Ordnung etablieren. Sie sind die Geburtshilfe für das weibliche Begehren und die weibliche Autorität, die uns ein Leben außerhalb der patriarchalen Ordnung ermöglichen. In dieser Hinsicht können wir von Frauen gar nicht genug erwarten. In der weiblichen symbolischen Ordnung kommt es auf Vermittlung an, nicht auf Recht haben.


Kulturcafé Groß-Gerau, 30. Oktober 2002