Antje Schrupp im Netz

Kleines Lexikon zur Frauenbewegung

Abtreibung

… ist ein politisch und emotional aufgeladener Begriff beim Streit um die Frage, ob und in welchen Fällen Frauen der Abbruch einer Schwangerschaft erlaubt ist oder nicht. War unter dem Schlagwort »Mein Bauch gehört mir« ein wichtiges Thema der 2.→Frauenbewegung. In Deutschland ist Abtreibung grundsätzlich – allerdings mit vielen Ausnahmen – zwar noch immer verboten, wird aber in der Regel nicht mehr (juristisch) verfolgt.

Achter März

… ist seit einem Beschluss der zweiten internationalen sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen 1910 das Datum des Internationalen Frauentags. Eingeführt wurde er im Andenken an den 8. März 1857, als mehr als hundert US-amerikanische Textilarbeiterinnen bei einem Streik getötet wurden. Obwohl heute in Deutschland nicht staatlich anerkannt (in der DDR war er es) wird dieser Tag bis heute vielerorts von Frauen mit Veranstaltungen und Festen begangen.

Affidamento

… kommt aus dem Italienischen und heißt wörtlich »sich anvertrauen«. Bezeichnet auch eine→feministische Haltung, die in den Beziehungen unter Frauen den Ausgangspunkt für weibliches Selbstbewusstsein und Engagement in der Welt sieht.

Amazonen

…. werden erstmals bei Homer (ca. 800 v. Chr.) genannt, der sie als kriegerisches Reiterinnenvolk vorstellt, das um 2000 v. Christus irgendwo in Nordost-Asien lebte. Mit ihrer Königen Penthesilea sollen sie der von den Griechen belagerten Stadt Troja zu Hilfe geeilt sein. Auch der griechische Historiker Herodot (5. Jhd. v. Chr.) berichtet einiges über diese außergewöhnlichen Damen und ihre→matriarchale Kultur. Über die Amazonen kursierten schon die wildesten Gerüchte: So hätten sie sich die rechte Brust amputiert, um ungehindert mit Pfeil und Bogen hantieren zu können. Auch wenn sich nichts Definitives sagen lässt, so hat das Raunen doch sehr wahrscheinlich einen irgendwie gearteten realen Hintergrund.

Androgyn

… nennt man entweder eine Person, die aufgrund ihrer äußerlichen Erscheinung nicht eindeutig als Frau oder Mann identifiziert werden kann, oder auch ein Kleidungsstück oder Accessoire, das keinem Geschlecht zuzuorden ist. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet »mannfraulich«. In früheren Zeiten galt Androgynität prinzipiell als schlecht, heute wird sie, etwa in der Werbung, zuweilen als Stilmittel eingesetzt. Generell wird aber doch erwartet, dass die Geschlechtszugehörigkeit einer Person jederzeit erkennbar ist.

Antifeminismus

… richtet sich nicht, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, gegen den→Feminismus, sondern gegen die → Frauen bzw. das Weibliche (Femina). Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nennt man so eine Geisteshaltung, die sich gegen Frauen und ihre Wünsche und Forderungen richtet, sobald diese die enge Sphäre des Privaten verlassen. Antifeministen – sie nannten sich selbst so – vertraten die Ansicht, dass Frauen aufgrund ihrer Weiblichkeit grundsätzlich nichts im öffentlich-politischen Leben zu suchen haben. In gewisser Hinsicht ist der→Feminismus als Antwort auf diese Herausforderung entstanden: Statt sich einfach politisch einmischen zu können, mussten Frauen ihr Engagement zunächst einmal theoretisch begründen. Ein Großteil der feministischen Ideen des 19. (und auch noch des 20.) Jahrhunderts sind also, streng genommen, anti-antifeministische Ideen.

Biologismus

… ist, wenn die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht auf kulturelle oder soziale, sondern ausschließlich auf biologische Ursachen zurückgeführt werden. Damit soll meist gleichzeitig behauptet werden, dass man sie eigentlich nicht verändern kann. Bei allen sonstigen Unterschieden halten das sämtliche → Feministinnen für Quatsch (übrigens auch die Differenzfeministinnen).

Consciousness raising

… heißt eine auch heute noch nützliche Praxis der »zweiten« → Frauenbewegung. Der nur schlecht zu übersetzende englische Ausdruck bedeutet in etwa »ein eigenes Bewusstsein entwickeln und stärken«: Indem Frauen sich zu zweit, in kleineren oder größeren Gruppen über ihre persönlichen Erfahrungen austauschen, können sie zu eigenen Interpretationen und Urteilen gelangen. So entstehen Perspektiven und Ideen, die oft besser geeignet sind, die Welt zu verstehen und in ihr zu handeln, als die der herrschenden, → patriarchalen symbolischen Ordnung, von der ja auch Frauen durch Familie, Schule, Erwerbsleben und Universität geprägt sind. Ein mühsamer, aber lohnender Prozess!

Differenz

… bezeichnet einen Unterschied, ein Anders-Sein, das sich nicht durch eine übergeordnete Gleichheit aufheben lässt. Insofern ist Differenz etwas anderes als→Diversity. Zwar hat der Philosoph Hegel versucht, die »Identität von Identität und Nicht-Identität« zu denken, also nachzuweisen, dass in gewisser Weise Gleichheit und Differenz dasselbe sind (Dialektik). Das Problem ist aber, dass Hegel ziemlich schwer zu verstehen ist. In der→feministischen Debatte dreht sich einiges um die Frage, ob es sich bei den Unterschieden zwischen Frauen und Männern um eine echte Differenz handelt (Differenzfeminismus) oder lediglich um – zum Beispiel kulturell entstandene – Unterschiedlichkeiten bei prinzipieller Gleichheit (Gleichheitsfeminismus). Diese beiden Sichtweisen können zu unterschiedlichen politischen Strategien führen, müssen aber nicht.

Diskriminierung

…. liegt vor, wenn eine Person ungeachtet ihres individuellen Verhaltens, allein aufgrund einer fremd definierten Gruppenzugehörigkeit benachteiligt wird. Die häufigsten Diskriminierungen sind die wegen zu dunkler Hautfarbe, weiblichem Geschlecht, höherem Alter, homosexueller Orientierung oder nicht tolerierter Religions- oder Volkszugehörigkeit. Ist in den USA schon länger, in Deutschland neuerdings verboten.

Diversity

… kommt aus dem Englischen und heißt »Verschiedenheit«. Diversity steht als Schlagwort für die (unter anderem von der→Frauenbewegung angeregten) Versuche, die Verschiedenheit der Menschen, zum Beispiel in einem Unternehmen, zu akzeptieren und fruchtbar zu machen (Diversity-Management). Nicht zu verwechseln mit→Differenz. Diversity setzt nämlich, im Gegensatz zur Differenz, eine prinzipielle Gleichheit voraus. So ähnlich vielleicht wie die »bunte Vielfalt von Merci«: Es sind zwar verschiedene Geschmacksrichtungen, aber alles Schokoriegel.

Emanzipation

… ist ursprünglich ein Begriff aus dem römischen Recht, der die Entlassung des Sohnes aus der väterlichen, also im Wortsinn aus→patriarchaler Gewalt bezeichnet. Seit dem 18. Jhd. steht sie für die Befreiung aus als unrechtmäßig empfundenen Herrschaftsverhältnissen allgemein. Im 20. Jhd. wurde Emanzipation auch zum Synonym für die gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen mit den Männern.

Empowerment

… entstand in den 80er Jahren als Konzept in Psychologie bzw. Sozialpädagogik und bedeutet »Selbstermächtigung«. Gemeint waren Strategien, die den Patienten oder Klientinnen helfen sollten, ihre Belange selbst zu vertreten und sich als Expertinnen ihrer eigenen Situation zu verstehen. Später wurde der Ansatz auch in der Entwicklungs- oder Frauenpolitik aufgegriffen und ersetzte dort weitgehend die früheren Hilfskonzepte. Das war zweifellos sinnvoll. Es ist aber keineswegs so, dass jede → Frau Empowerment nötig hätte.

Frau

… nennt man Menschen weiblichen Geschlechts. Sie machen gut die Hälfte aller Neugeborenen aus. Das Frausein ist nicht allein von der körperlichen Beschaffenheit abhängig (vgl. Transsexualität oder Intersexualität), kann jedoch auch nicht losgelöst vom Körper verstanden werden. Doch auch wenn umstritten ist, was genau Frauen zu Frauen macht, sicher ist: Es gibt sie.

Feminismus

… könnte man als Theorie zur→Frauenbewegung definieren. Feministische Ideen, Ansichten oder Projekte haben das Anliegen, die Lebensumstände von→Frauen zu verbessern bzw. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass solche Verbesserungen möglich werden. Inhaltlich können sie sich erheblich voneinander unterscheiden, ja sogar gegenseitig widersprechen. Deshalb ist zuweilen auch im Plural von »Feminismen« die Rede.

Frauenbewegung

… ist der Oberbegriff für Gruppen und Frauen, die gemeinsam mit anderen und öffentlich für ihre Anliegen eintreten. Da es solche Gruppen und Frauen immer gab (und auch überall gibt), ist die Frauenbewegung so alt wie die Menschheit, und es gibt sie auch in allen Kulturen und auf allen Kontinenten. Allerdings ist sie, wie alle sozialen Bewegungen, Höhen und Tiefen ausgesetzt. In der westlichen Geschichtsschreibung gilt das Engagement europäischer Frauenrechtlerinnen im 19./20. Jahrhundert als »erste«, die aus der Studentenbewegung der 1960er Jahre hervor gegangenen→feministischen Aktionen als »zweite« Frauenbewegung.

Gender

… kommt aus dem Englischen und bezeichnet das soziale, kulturell definierte Geschlecht im Unterschied zum biologischen Geschlecht (»sex«). Wie sinnvoll diese Unterscheidung ist, ist unter → Feministinnen umstritten.

Gender-Mainstreaming

… heißt in etwa: »Die Bedeutung des sozialen Geschlechts in das allgemeine Bewusstsein und Handeln einbringen«. Vorgeschlagen wurde es erstmals 1985 bei der→Weltfrauenkonferenz in Nairobi, konkretisiert 1995 in Peking. Die Staaten verpflichteten sich, dafür zu sorgen, dass in Behörden, Institutionen und Unternehmen alle Entscheidungen auf ihre meist unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer untersucht und entsprechend gestaltet werden. Ein Unterbereich, der speziell die Verteilung von Geld betrifft, ist das Gender-Budgeting. Auch die EU fördert die Einführung von Gender-Mainstreaming ideell und finanziell. Seit 1999 gilt es als offizielles Leitprinzip der Bundesregierung. Von→Feministinnen wird es zwiespältig beurteilt: Einerseits greift es ihre Anliegen und Forderungen auf, andererseits werden hierfür oft Gelder und Ressourcen aus reinen Frauenprojekten abgezogen.

Gleichberechtigung

… herrscht, wenn alle Menschen und insbesondere Frauen und Männer vor dem Gesetz die gleichen Rechte und Pflichten haben, und zwar ungeachtet ihrer sonstigen Unterschiede. In Deutschland ist sie im Grundgesetz (Art. 3) festgeschrieben, wurde aber – insbesondere im Familienrecht – erst Anfang der 1980er Jahre nahezu vollständig verwirklicht. Heute steht sie in den westlichen und auch vielen anderen Gesellschaften nicht mehr in Frage.

Hausarbeit

… umfasst zum Beispiel Kochen, Putzen, Waschen, Wohnung einrichten und in Stand halten, Kinder betreuen und erziehen, zuweilen auch Kranke pflegen, das Familienbudget verwalten und vieles mehr und wird ganz überwiegend von Frauen erledigt. Obwohl es sich um lebensnotwendige und gesellschaftlich höchst wichtige Tätigkeiten handelt, spielt die Hausarbeit in der (männlich dominierten) ökonomischen Theorie bislang so gut wie keine Rolle. → Feministische Denkerinnen sind aber zunehmend dabei, das zu korrigieren.

Lesben

… sind Frauen, die sich hauptsächlich auf andere Frauen beziehen und ausschließlich mit ihnen Lebens- und Liebespartnerschaften pflegen. Sie spielten eine wichtige Rolle in der »zweiten«→Frauenbewegung.

Lila

… ist die Farbe der westlichen→Frauenbewegung. Warum, dafür gibt es allerdings verschiedene Erklärungen: Ist es die Vereinigung des »männlichen« Blau mit dem »weiblichen« Rot? Oder eine Anspielung auf den mittelalterlichen Brauch, wonach (lila) Veilchen als Zeichen für Unverheiratete galten? Hübsch ist auch die Geschichte von dem englischen Chemiker William Perkin: In den 1850er Jahren stieß er bei einem Versuch mit der Oxidation von aus Steinkohleteer gewonnenem Anilin zufällig auf einen purpurvioletten Farbstoff, der sich zum Einfärben von Textilien eignete. Lila avancierte bald zur Modefarbe, die auch den → Suffragetten gefiel, die daraus gleich ihre »Marke« kreierten. Denn es war ein überaus praktischer Farbstoff: ziemlich resistent und sehr lange haltbar!

Matriarchat

… heißt wörtlich »Herrschaft/Ordnung der Mutter« und bezeichnet Gesellschaften, in denen die Mutterschaft der bestimmende Faktor der sozialen Ordnung ist. Manche→Feministinnen sehen in matriarchalen Kulturen ein Gegenmodell zum→Patriarchat und erhoffen sich von der Erforschung solcher Kulturen in Vergangenheit und Gegenwart Anstöße und Vorbilder. Inzwischen gibt es eine Fülle von entsprechend inspirierter Literatur. Im September 2003 fand in Luxemburg der erste Weltkongress für Matriarchatsforschung statt.

Patriarchat

… wörtlich: »Herrschaft/Ordnung des Vaters«, heißt eine Gesellschaft, wenn erwachsene Männer die Vorherrschaft über Kinder und Frauen haben. Ihre Symbole sind der Vater als Oberhaupt der Familie sowie ein als allmächtig definierter Vater-Gott. Die klassische patriarchale Ordnung ist in vielen westlichen Ländern inzwischen ins Wanken gekommen, was einerseits Grund zur Freude ist, andererseits aber auch zahlreiche Krisen hervorruft, insbesondere im Hinblick auf das soziale Gefüge. Die Herausforderung, an Stelle des Patriarchats eine andere – möglichst bessere – Ordnung zu etablieren, ist noch nicht bewältigt.

Phallus

… ist das griechische Wort für den erigierten männlichen Penis. In einigen antiken Kulturen hatte der Phallus symbolische Bedeutung und hat später einige männliche Psychoanalytiker (Freud, Jung) zu phantasievollen Theorien wie etwa der vom »Penisneid« angeregt.

Pillen

… nennt man Medikamente, die in Form von kleinen Kügelchen oder Pastillen verabreicht werden. Das Wort zum Synonym für empfängnisverhütende Hormonpräparate, die seit Ende der 1960er Jahre eine flächendeckende, selbstbestimmte Steuerung von Schwangerschaften seitens der Frauen ermöglichten. Diese »Pille« hieß in der BRD auch »Antibabypille«, in der DDR »Wunschbabypille«.

Suffragette

… leitet sich von dem englischen Wort »suffrage« (Wahlstimme) ab. Genannt wurden so die Frauen aus der »ersten« → Frauenbewegung, weil sie vor allem für das → Wahlrecht eintraten.

Transgender

… bedeutet »das soziale Geschlecht überschreiten« und steht für den Versuch, mit überkommenen Geschlechterrollen zu spielen, etwa durch die bewusste Darstellung eines anderen als des biologischen Geschlechts.

Wahlrecht

… ist seit der Französischen Revolution (1789) ein demokratisches Grundprinzip und soll die Beteiligung aller Erwachsenen an den politischen Entscheidungen eines Staates gewährleisten. Infolge einer gewissen Inkonsequenz seiner (männlichen) Erfinder waren Frauen anfangs davon ausgeschlossen. Das Frauenwahlrecht zu erkämpfen war daher ein Hauptanliegen der »ersten«→Frauenbewegung in Europa. In den meisten westlichen Ländern wurde es nach dem ersten Weltkrieg eingeführt (z.B. Deutschland 1918, USA 1920). Heute gibt es nur noch wenige (parlamentarisch regierte) Länder, die Frauen das Wahlrecht grundsätzlich verweigern, zum Beispiel Saudi Arabien oder Kuwait.

Weltfrauenkonferenz(en)

… werden von den Vereinten Nationen in regelmäßigen Abständen abgehalten, um Möglichkeiten zu diskutieren, wie die Position von Frauen weltweit in rechtlicher, wirtschaftlicher, politischer und sozialer Hinsicht gestärkt werden kann. In zunehmendem Maß mischen sich auch Nichtregierungsorganisationen in diese Debatten ein. Die erste Weltfrauenkonferenz fand 1975 in Mexiko statt, die zweite 1980 in Kopenhagen, die dritte 1985 in Nairobi, die vierte 1995 in Peking. Insbesondere die Pekinger Konferenz gilt als Meilenstein auf dem Weg zu einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit von politisch engagierten Frauen.

Womanism

… (von engl. woman = Frau) ist die Selbstbezeichnung afro-amerikanischer → Feministinnen. Der 1983 von Alice Walker eingeführte Begriff soll deutlich machen, dass sie sich auf das kulturelle Erbe der schwarzen, afro-amerikanischen Bevölkerung beziehen (und nicht auf die meist bürgerlichen Traditionen der weißen → Frauenbewegung).

Xanthippe

… hieß die Frau des griechischen Philosophen Sokrates. Wird im »Gastmahl« des Xenophon die »Unverträgliche« genannt und gilt seither als Prototyp einer zänkischen, keifenden Ehefrau – historisch sicher zu Unrecht.

In: Arbeitshilfe zum Weitergeben, Hrsg. der Ev. Frauenhilfe in Deutschland, Nr. 2/2005 (auszugsweise) und komplett unter www.ahzw.de