Antje Schrupp im Netz

Einleitung

Ronald Blaschke, Ina Praetorius, Antje Schrupp (Hg): Das Bedingungslose Grundeinokmmen. Feministische und postpatriarchale Perspektiven. Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach 2016, 174 Seiten, 14,95 Euro

Feministische Ökonomiekritik ist eine natürliche Verbündete der Grundeinkommensbewegung. Schließlich ist das Bedingungslose Grundeinkommen ein Konzept der sozialen Absicherung, das die enge Verbindung von Arbeit und Einkommen auflöst: Mit einem Grundeinkommen haben alle Menschen, unabhängig von ihrer Arbeit, ein gesichertes materielles Auskommen. Andererseits schafft ein Grundeinkommen die Möglichkeit, dass Menschen tun können, was ihnen sinnvoll und notwendig erscheint, unabhängig davon, ob das vom „Arbeitsmarkt“ nachgefragt wird.

Das Bedingungslose Grundeinkommen hat deshalb das Potenzial, ein wesentliches Anliegen feministischer Ökonomie aufzugreifen: nämlich die Erkenntnis, dass Arbeit weit mehr ist als Erwerbsarbeit, dass gesellschaftlicher Wohlstand stärker von unbezahlter Arbeit abhängt als von bezahlter, und dass Wirtschaft sich nicht in dem erschöpft, was gegen Geld getauscht und in Form von Zahlen, etwa im Bruttosozialprodukt, abgebildet wird.

Allerdings wird von vielen Protagonist_innen der Grundeinkommensbewegung eher ein anderes Argument stark gemacht, nämlich dass uns als Gesellschaft die Arbeit ausginge: Durch Computerisierung und Roboterisierung, so die Vorhersage, würden immer mehr Arbeitsplätze wegfallen, weshalb der gesellschaftliche Wohlstand auch mit deutlich weniger Arbeit erhalten werden kann: Wir brauchen gar nicht mehr so viel arbeiten, lautet das Versprechen.

Das Argument zeigt, wie sehr der Bereich der Care-Arbeit in diesem Diskurs ausgeblendet wird. Denn Care-Arbeit kann zum größten Teil eben nicht computerisiert und roboterisiert werden, weil sie zwischenmenschliche Beziehungsarbeit ist. Zwar stimmt, dass auch in diesen Bereichen, in Krankenhäusern, Schulen, Pflegeheimen, Erwerbsarbeitsplätze wegfallen oder prekarisiert werden. Aber nicht, weil die entsprechende Arbeit überflüssig geworden wäre, sondern weil sie sich in einer neoliberalen Marktlogik nicht „rechnet“. Getan werden muss sie aber trotzdem, jedenfalls wenn „gutes Leben für alle“ ein Maßstab von Ökonomie sein soll.

Wie kann die Gesellschaft organisiert werden, wenn die Erwerbsarbeit als strukturierendes Merkmal wegfällt? Diese Frage stellt sich nicht nur in Bezug auf die soziale Einbettung von Menschen, für die die Erwerbsarbeit bisher eine wichtige Rolle spielte, sondern auch in Bezug auf die Versorgung mit dem Lebensnotwendigen. Denn der kapitalistische Erwerbsarbeitsmarkt gewährleistet keineswegs, dass alle notwendige Arbeit auch tatsächlich erledigt wird. Vieles, was für ein gutes Leben notwendig wäre, wird nicht (mehr) finanziert und damit zu einem Luxus, den sich nur Reiche leisten können, zum Beispiel eine individuelle, fördernde Schulbildung oder eine menschenfreundliche Pflege im Alter.

Das Grundeinkommen schafft Freiräume, damit Menschen ohne Zwang tätig werden können. Es bietet also die Chance, dass gesellschaftlich notwendige, aber in einem kapitalistischen Sinne nicht „profitable“ Arbeiten dennoch getan werden. Allerdings ist genau das auch der wunde Punkt. Denn die Verlockung ist groß, und zahlreiche Befürworter_innen des Grundeinkommens erliegen ihr leider, das als Lösung zu feiern: Wenn alle tun können, was sie wollen, dann werden sich sicher auch welche finden, die für Menschen sorgen, die darauf angewiesen sind! Dass das realistischerweise deutlich mehr Frauen als Männer wären, wird achselzuckend in Kauf genommen.

Feminist¬_innen sehen aber in dieser Vision keine Verheißung, sondern die Gefahr, dass ein so verstandenes Grundeinkommen klassische geschlechtsspezifische Rollen verfestigen würde. Aller Emanzipation und Gleichstellung der vergangenen vierzig Jahre zum Trotz hat sich ja die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als äußerst beharrlich erwiesen, und ebenso die ungleiche Bewertung und Wertschätzung in Bezug auf Care. Doch das Engagement von (vor allem) Frauen im Bereich von „Care“ darf nicht weiterhin gesellschaftlich ausgebeutet werden. Deshalb braucht der Einsatz für ein Grundeinkommen zwingend eine geschlechterbewusste Reflexion und Strategie.

Die Beiträge in diesem Band nähern sich diesem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Autor_innen wissen nicht nur um die zentrale Bedeutung von Care, sondern sie verstehen das Grundeinkommen auch generell nicht als isolierte sozialpolitische Maßnahme. Sie betten es ein in einen größeren Kontext des Einsatzes für eine bessere, gerechtere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Das Grundeinkommen ist eben lediglich ein Teil der Lösung, nur im Verbund mit anderen transformativen Konzepten – sei es Care Revolution, Subsistenzökonomie, Commons, Vorsorgendes Wirtschaften, aber auch eine links inspirierte Kapitalismus- und Staatskritik – kann es einen postpatriarchalen gesellschaftlichen Wandel unterstützen. Das Grundeinkommen muss in den Rahmen eines Care-zentrierten Verständnisses von Ökonomie eingebettet sein, das sich am guten Leben für alle orientiert und die Geschlechterfrage jederzeit mitdenkt.

Dazu gehört in erster Linie, den Bereich der unsichtbaren und/oder unbezahlten Arbeit nicht länger als selbstverständliche, aber undiskutierte Basis des Wirtschaftens vorauszusetzen, sondern ihn sichtbar zu machen und zu würdigen, sowohl symbolisch als auch materiell. Dazu gehört aber auch, die Frage nach der Vergesellschaftung entlang der Gleichzeitigkeit von Bedürftigkeit und Autonomie der Menschen neu zu durchdenken. Und dazu gehört, den Übergang von einer auf „Arbeit als Pflicht“ orientierten Mentalität hin zu einer „Arbeit als Möglichkeit“ zu gestalten, denn auch hier vollzieht sich der notwendige Wandel nicht einfach von selbst.

Alle Autor_innen dieses Bandes beschäftigen sich seit vielen Jahren mit feministischer Ökonomiekritik und gleichzeitig auch mit dem Grundeinkommen. Erste Grundzüge dessen, worum es dabei geht, enthält bereits der 2004 erschienene Text „Sinnvolles Zusammenleben im ausgehenden Patriarchat: Argumente für ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen und weitere Gedanken zum Thema Geld, Arbeit und Sinn“ , an dem auch zwei der Herausgeberinnen dieses Buches mitgeschrieben haben. 2012 folgte das „ABC des guten Lebens“ , ein politisches Lexikon, bei dessen zahlreichen Begriffserläuterungen das Grundeinkommen häufig eine Schlüsselrolle einnimmt. Die Zentralität von „Care“ als wesentlicher Fokus aller ökonomischer Überlegungen wiederum ist heute nicht mehr nur in feministischen Kontexten verankert, sondern wird zunehmend auch darüber hinaus gesehen und diskutiert. Unter dem Motto „Care Revolution“ hat sich etwa im März 2014 ein breites Netzwerk dazu gegründet, das mit vielerlei Aktionen öffentlich präsent ist.

Wir hoffen, mit diesem Buch dazu beizutragen, dass die Idee eines Grundeinkommens sich mit einer Care-zentrierten Ökonomie verbindet, dass die beiden Konzepte sich gegenseitig befruchten und so den Diskurs über eine feministische und postpatriarchale Zukunftsgestaltung insgesamt voranbringen.

Mit Beiträgen von

Margit Appel

Andrea Baier

Adelheid Biesecker

Ronald Blaschke

Daniela Gottschlich

Dorothee Markert

Dagmar Paternoga

Ina Praetoirus

Werner Rätz

Gabriele Winker