Antje Schrupp im Netz

Josef – immer für eine Erklärung gut

Guy Ritchie lässt sich von Superstar Madonna scheiden, und man munkelt, ihm habe der Status des »Mannes an ihrer Seite« nicht behagt. Von seinem Vorgänger in der Rolle des Madonnen-Gatten, dem jüdischen Zimmermann Josef aus Nazareth, ist dergleichen nicht bekannt. Laut biblischer Überlieferung war er ein treuer und loyaler Ehemann, der sich mit seiner Rolle im Schatten der berühmten Mutter eines noch berühmteren Sohnes zufrieden gab.

Seinen Vaterpflichten kam Josef immer nach: Vor den Verfolgungen des König Herodes brachte er Maria und Jesus nach Ägypten in Sicherheit, später sorgte er als Zimmermann für ihren Lebensunterhalt. Doch dann verschwindet er sang- und klanglos aus der Geschichte: Während Maria den Lebensweg Jesu’ begleitet und auch bei der Kreuzigung dabei ist, ist von ihm ganz einfach nicht mehr die Rede.

In der Tat ist die Position des Josef mehr als kompliziert. Bekanntlich war Maria schon vor der Hochzeit schwanger. Eine Engelsvision überzeugte ihren Verlobten, dass »der Heilige Geist« das Kind gezeugt habe. Doch damit beginnen die Probleme: Wer genau ist denn nun der Vater von Jesus? In einer stark patriarchalen, also Väter-orientierten Kultur ja keine ganz unwichtige Frage. Die Bibel ist hier gewissermaßen unentschieden: Dieselben Evangelisten, die einerseits die Vaterschaft des Heiligen Geistes betonen, führen andererseits den Stammbaum Jesu auf den König David zurück – und zwar über Josef. Ja, was denn nun?

Noch komplizierter wird es, als sich die christliche Kirche im 4. Jahrhundert in den Kopf setzt, Maria sei ihr ganzes Leben lang Jungfrau geblieben. Denn nun werden die vielen Brüder und Schwestern Jesu erklärungsbedürftig, von denen die Evangelien an mehreren Stellen berichten. Es erweist sich nun als durchaus praktisch, dass in der Bibel von Josef so wenig die Rede ist. Man kann ihm einfach eine frühere Ehe andichten und behaupten, er hätte die anderen Kinder schon mitgebracht.

Im sexuell vergleichsweise freizügigen Mittelalter erschien es den Menschen aber trotzdem unwahrscheinlich, dass eine hübsche und junge Frau wie Maria die ganzen Ehejahre über Jungfrau geblieben sein sollte. Erneut musste Josef als Erklärung herhalten: Man behauptete, er hätte Maria erst im hohen Alter von 80 Jahren geheiratet – und sexuell halt einfach nicht mehr »gekonnt«.

Dafür wurde er dann aber schon im 9. Jahrhundert zum Heiligen erklärt. Seit 1870 ist Josef »Patron der ganzen katholischen Kirche«, die ihn auch als Schutzherren der Arbeiter und – seit 1937 – »all derer, die den Kommunismus bekämpfen« verehrt. Evangelischerseits spielt der Mann an Marias Seite hingegen nur als Krippenfigur eine Rolle.

Im Zuge der aktuellen Debatten um die »neuen Väter« wäre es vielleicht spannend, Josef von Nazareth als Rollenmodell wiederzuentdecken: Eine ganze Reihe von Darstellungen zeigen ihn nämlich, wie er sich um das Jesuskind kümmert – während seine Frau mit Lesen beschäftigt ist.


In: Kirche Intern, Dezember 2008