Antje Schrupp im Netz

Andrea Krautkremer: »A mon tres cher Fritz«. Fürstin Louise Isabelle von Nassau-Weilburg (1772–1827) in ihren Briefen. Wiesbaden 2007, Historische Kommission für Nassau, 232 Seiten mit vielen Abbildungen, 29,50 Euro.

Das konventionelle Leben einer Fürstin

Bild Sie hatte einen durch und durch reglementierten Tagesablauf (viel Essen, viel Toilette, viel Briefeschreiben, bei schönem Wetter spazieren gehen, sonst Lektionen, aber auf keinen Fall zu viel »Gelehrtes«!) Sie führte eine arrangierte Ehe – als Erbin der Grafschaft Sayn-Hachenburg nahm sie der Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau-Weilburg gerne, ihr wiederum bescherte die Verbindung den Titel einer Fürstin. Sie bekam drei Kinder, und musste ihren Mann jedes Mal um Erlaubnis fragen, wenn sie mal das Schloss verlassen oder Gäste zu sich einladen wollte. Sie verbrachte Monate ohne ihren Mann, der sozusagen häufig auf Dienstreisen war – zum Beispiel an den Hof Napoleons. Aber merkwürdigerweise (aus heutiger Sicht) schien ihr das nichts auszumachen. Zumindest in ihren Briefen erscheint Louise Isabelle heiter, witzig, zufrieden mit sich und ihrem Leben. Das natürlich zugegebenermaßen auch höchst privilegiert war.

Louise Isabelle war jedenfalls gewiss keine Rebellin. Keine von diesen »starken Frauen«, die in den letzten Jahrzehnten von Historikerinnen in allen Erdteilen und Geschichtsepochen entdeckt wurden. Louise Isabelle war durch und durch konventionell – und es spricht für einen gewissen Grad der Etabliertheit der Frauengeschichtsforschung, das auch solche Frauen nun offenbar von historischem Interesse sind.

305 Briefe, die Isabelle in den Jahren 1784 bis 1813 an Friedrich Wilhelm, geschrieben hat, zuerst als Verlobte (da war sie Zwölf) und ab 1788 als Ehefrau, haben die Zeit überdauert und lagern im Hessischen Hauptstaatarchiv in Wiesbaden. Die Historikerin Andrea Krautkremer hat sie im Rahmen ihrer Magisterarbeit entziffert und aus ihnen ein lebendiges Portrait dieser Frau gezeichnet. Das Portrait bleibt subjektiv, da es kaum andere Quellen über die Louise Isabelle gibt. Aber es ist Krautkremer gut gelungen, die Lücken mit Zeitgeschichte und Schlussfolgerungen zu füllen, ohne ins Spekulative abzudriften. Sie schreibt gut lesbar, auch für diejenigen, die mit den Feinheiten adligen Lebens nicht so vertraut sind.

Zu den Stärken des Buches gehört, dass Krautkremer ihre Protagonistin nicht zur Repräsentantin einer bestimmten »Sorte« von Frauen macht, sondern ihr ihre Individualität lässt. Natürlich sind die Briefe aus wissenschaftlicher Sicht vor allem deshalb von Interesse, weil sie Einblicke in das Alltagsleben eines relativ kleinen Fürstenhofes in der Provinz geben. Gleichzeitig macht Krautkremer aber auch auf die Unterschiede zwischen Isabelle und anderen adligen Briefeschreiberinnen ihrer Zeit aufmerksam, etwa Louise von Preußen: Während letztere häufig politische Kommentare und Ansichten kundtut, scheint Louise Isabelle sich ausschließlich für das Alltagsleben und die unmittelbaren Beziehungen zu interessieren. Weltereignisse wie die Französische Revolution sind für Louise Isabelle erwähnenswert nur im Zusammenhang mit einem Grafen, der im Weilburger Schloss zu Gast war und in der Revolution sein Vermögen verloren hatte.

Insofern sind die Briefe von Louise Isabelle durchaus auch eine Herausforderung für heutige Leserinnen: Wie kann sie so gelassen und geradezu zufrieden sein mit ihrem häuslichen Leben, trotz arrangierter Ehe, trotz einengender Konventionen? Denn zufrieden war sie definitiv – auch wenn man berücksichtigen muss, dass Briefe zu jener Zeit keine intimen Texte waren, sondern für eine gewisse Öffentlichkeit bestimmt (sie wurden in der Regel in Gesellschaft vorgelesen), so ist doch der heitere, ironische und ganz souveräne Ton, in dem sie schreibt, sicher nicht nur vorgetäuscht. Welche Ambitionen hatten (und haben?) Frauen, die sich wie Louise Isabelle so widerspruchslos in die Konventionen fügen? Woraus beziehen sie ihren Lebensmut? Eine offene Frage, die vielleicht auf der Agenda einer nächsten Generation von Historikerinnen steht. Die jetzt bearbeiteten Briefe der Fürstin von Weilburg-Nassau sind dafür schon einmal ein guter Ausgangspunkt.