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Norwegen will mehr Frauen in Aufsichtsräten

Als erstes Land der Welt hat Norwegen eine Frauenquote für Wirtschaftsunternehmen eingeführt: Börsennotierte Unternehmen müssen dort künftig 40 Prozent ihrer Sitze im Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat mit Frauen besetzen. Bisher beträgt der Frauenanteil nur 7 Prozent (in Deutschland sogar nur 3 Prozent). Parallel zu diesem Beschluss hat die Regierung eine Datenbank mit über 4000 kompetenten Frauen, die einen Posten in einem Aufsichtsrat übernehmen würden, angelegt. Die rund 600 an der Börse gehandelten norwegischen Firmen haben nun bis September 2005 Zeit, ihre Aufsichtsräte entsprechend umzubesetzen. Wenn sie die Quote nicht erfüllen, verlieren sie ab 2007 ihre Zertifizierung der Börsenaufsicht.

(Quelle: Wir Frauen, April 2004)

Kampf den Bruderschaften in denAufsichtsräten

Norwegen will mehr Frauen in den Kontrollgremien

Wenn die Industrie nicht spurt, führtNorwegen zwangsweise Frauenquoten in denAufsichtsräten der Unternehmen ein. Doch die Männerlobby in der Wirtschaft des Landes bestreitet, dass es genügend geeignete Frauen gibt.

Von Hannes Gamillscheg, Oslo

''Wer mich kennt, hält mich sicher nicht für einen verkappten Sozialdemokraten'', lacht Ansgar Gabrielsen. Und doch hatNorwegens konservativer Wirtschaftsminister mit einem Plan aufhorchen lassen, den man eigentlich eher von seinen politischen Gegenspielern erwartet hätte: zumindest 40 Prozent Frauen sollen in denAufsichtsräten aller norwegischen Unternehmen sitzen, und zwar schon sehr bald. Sind die Konzerne nicht willig, braucht Gabrielsen Gewalt.

Sollte die Quote bis zum 1. September 2005 nicht erreicht sein, tritt ein Gesetz in Kraft, das das Parlament in Oslo vorsorglich mit großer Mehrheit schon verabschiedet hat. Dann würden die Konzerne gezwungen, spätestens zwei Jahre danach einen entsprechenden Frauenanteil in derAufsichtsräten vorzuweisen. Natürlich hat Gabrielsen ''Schockwellen ausgelöst'', wie es seine Sachbearbeiterin Marianne Jörgensen beschreibt, vor allem bei seinen Partei- und Industriefreunden. ''Darum habe ich den Vorschlag auch nicht mit der Fraktion abgesprochen, ehe ich ihn publik machte'', schmunzelt der Konservative. ''Es gibt nicht genügend geeignete Frauen'', posaunte die Männerlobby, und die, die sich dafür hielten, wollten wegen ihrer Qualifikation und nicht als Quotenfrauen in die Spitzengremien geholt werden.

''Über die vielen Quotenmänner, die von ihren Bruderschaften in dieAufsichtsräte gehievt werden, redet niemand'', gab Gabrielsen zurück. ''Klar sollen die Frauen wegen ihrer Kompetenz gewählt werden. Aber damit sie diese ausspielen können, bedarf es einer Quotierung'', sagt Grete Faremo,Aufsichtsratsvorsitzende beim Energiekonzern Statnet. Sie hat Erfahrung mit Quoten. Sie saß als Justizministerin im sozialdemokratischen Kabinett von Gro Harlem Brundtland, das mit einem Frauenanteil von 40 Prozent weltweit Schlagzeilen machte. Seither gibt es kein politisches Gremium inNorwegen, das hinsichtlich der Geschlechterverteilung nicht ausgewogen wäre, und auch konservative Regierungen können es sich mit Rücksicht auf die Wählerstimmung nicht leisten, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. ''Wir haben Familienbetreuungsmodelle eingeführt, die eine Kombination von Familien- und Berufsleben und politischem Engagement ermöglichen'', sagt Faremo. Und die Qualität der politischen Arbeit hat unter der Quotenregelung sicher nicht gelitten.

So sagt auch Gabrielsen, dass es ihm weniger um die Gleichberechtigung gehe als um die Nutzung ihrer Qualifikation: ''In den höheren Ausbildungen sind die Frauen seit langem in der Überzahl, aber in den Führungsgremien der Industrie sind sie unterrepräsentiert.'' Nur rund sieben Prozent derAufsichtsratsmitglieder sind weiblich und mehr als die Hälfte der an der Börse notierten Gesellschaften werden von reinen Männertruppen geführt. Da geht zu viel Wissenspotenzial verloren. ''Konzerne, die bewusst auf Vielfalt bauen, sind bei der Innovation überlegen'', sagt der Minister. Er glaubt, dass viele der internationalen Firmenskandale der letzten Jahre nicht passiert wären, wenn in den Aufsichtsgremien statt der ''Raffgier der Männer in den Fünfzigern'' vielfältige Interessen dominiert hätten.

Am Ziel, die Frauen stärker in die Entscheidungen einzubinden, rüttelt inNorwegen keiner. Nur die Wege dorthin sind umstritten. Ist Zwang tatsächlich nötig? ''Geredet hat man seit 1995. Das reichte jetzt'', schnitt Gabrielsen die Debatte ab. Auch im anfangs skeptischen Industrieverband ist man auf seine Linie eingeschwenkt. Und im Parlament stimmte schließlich selbst die anfangs so aufgebrachte konservative Fraktion für das Gesetz. Dass der Staat der größte Akteur an der Börse von Oslo ist, erleichtert die Durchsetzung der Frauenquote. Bis 2004 sollten die staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen die Quote erreicht haben, ''aber wir sind jetzt schon so weit'', betont der Minister. Probleme bei der Rekrutierung der Frauen gab es bisher nicht -und auch in der Privatwirtschaft hat man die Suche nach Kandidatinnen bereits intensiviert.

(Quelle: Stuttgarter Zeitung, 13.12.2003)