Antje Schrupp im Netz

Politische und theologische Ideen von Musliminnen

Neu: Der Koran ohne patriarchale Interpretationen neu ins Englische übersetzt von Laleh Bakhtiar: http://www.sublimequran.org/

Nahed Selim: Nehmt den Männern den Koran. Für eine weibliche Interpretation des Islam.

Bild Feministische Theologie vom Feinsten präsentiert die ägyptisch-niederländische Journalistin in diesem Band. Sie erläutert die historischen Entstehungsbedingungen des Koran und zeigt auf, wie die ursprünglichen Intentionen fast durchgängig im Zuge der patriarchalen Überlieferungen zugunsten der Männer verändert wurden. Ein Prozess, der schon zu Lebzeiten Mohammeds begann, wie Selim anhand einer chronologischen Ordnung der Suren zeigt. Selim erschließt hier ein breites Feld feministisch-theologischer Analyse, das fruchtbare Erkenntnisse bietet und sehr an die aufregenden Entdeckungen feministisch-christlicher Theologinnen Mitte der 1980er Jahre erinnert. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass eine Journalistin – und nicht eine Theologin – diese innerislamische Debatte anstößt, da der Koran, anders als die Bibel, als wörtlich von Allah inspiriertes und insofern unveränderliches Werk gilt. Eine historisch-kritische Analyse wird daher im Islam bisher viel zu zögerlich angegangen. Wichtig ist Selims Analyse, insofern sie zeigt, dass männliche Theologen durch die Jahrhunderte hinweg keineswegs davor zurückschreckten, den Koran und Mohammeds Intentionen völlig ungeniert in ihrem eigenen – also einem patriarchalen – Sinne zu verbiegen und auszulegen. Die Unveränderlichkeit des Gotteswortes erweist sich im gegenwärtigen Gebrauch der meisten muslimischen Orthodoxen schlicht als Schimäre. Vielleicht ist es tatsächlich an den Frauen, eine wortgetreue Interpretation des Koran zu erfinden, die sich nicht in plattem Fundamentalismus erschöpft, sondern die realen Schwierigkeiten ernst nimmt, die mit der faktisch niemals ohne Interpretation auskommenden Notwendigkeit der Überlieferung und Vermittlung in jeweils sich verändernde Zeitläufe zusammenhängen. Dass die männlich-patriarchale Koranauslegung hier nicht überzeugt, hat Nahed Selim in ihrem Buch eindrücklich vor Augen geführt. Sie hat damit einen ersten Schritt getan auf einem Weg, zu dem hoffentlich noch viele muslimische Theologinnen (und vielleicht auch Theologen) aufbrechen (Piper 2006).

Farideh Akashe-Böhme: Sexualität und Körperpraxis im Islam

Bild Die deutsch-persische Soziologin erläutert das Körperverständnis, das islamischen Bekleidungs- und Verhaltensregeln zugrunde liegt. Das ist hilfreich, um europäische Missverständnisse zu vermeiden: Eine Sex-Gender-Trennung zum Beispiel gibt es im Islam nicht, Öffentlichkeit ist nicht durch breites Publikum, sondern durch die Anwesenheit von Männern gekennzeichnet, Homosexualität wird je nachdem, ob der Mann eine aktive oder passive Rolle einnimmt, unterschiedlich gewertet, das Klimakterium bedeutet für Musliminnen, anders als für Frauen in Europa, eher einen Statusgewinn. Die Autorin analysiert die streng reglementierte muslimische Körperpraxis als patriarchal und rückständig und plädiert für eine feministisch-säkulare Reform der Religion (Brandes & Apsel, 2006).

Irshad Manji: Der Aufbruch. Plädoyer für einen aufgeklärten Islam.

Bild Irshad Manji ist eine junge lesbische Journalistin, die in Kanada lebt, wohin sie als kleines Kind mit ihren Eltern kam, die aus Uganda dorthin auswanderten. Schon früh rebellierte sie gegen die Engstirnigkeit der Koranschulen. Manji ist davon überzeugt, dass sich der Koran mit westlichen Werten vereinbaren lässt. Engagiert appelliert sie an ihre Glaubensgenossinnen, sich nicht von antiwestlicher Propaganda verführen zu lassen, sondern realistisch die positiven Seiten des westlichen Lebensstils zu sehen und die persönlichen Freiheiten, die sie ermöglichen. Ein Buch, das an die muslimischen Gemeinden und Gläubigen appelliert, sich nicht in einem Opferstatus einzurichten, sondern selbstbewusst den eigenen Glauben weiter zu entwickeln (Eichborn 2003).

Ein einziges Wort und seine große Wirkung:

Bild Eine hermeneutische Betrachtungsweise zum Qur’an, Sure 4, Vers 34, mit Blick auf das Geschlechterverhältnis im Islam. Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung, Köln. Die Autorinnen leisten eine hermeneutische und historisch-kritische Interpretation nicht nur dieses Verses – der, in landläufigen Übersetzungen, die Aufforderung enthält, ungehorsame Frauen zu schlagen – sondern geben gleichzeitig eine Einführung in die Methode der Koraninterpretation und den Stand der feministischen, islamischen Theologie. Ein Buch, das für Musliminnen und christliche Theologinnen gleichermaßen interessant und aufschlussreich ist. Infos unter www.zif-koeln.de. (ZiF 2005).

Fadela Amara: Weder Huren noch Unterworfene.

Bild Amara, eine Französin maghrebinischer Abstammung, Anfang der 1960er Jahre geboren, schildert anschaulich, wie (und warum) sich die Lage von muslimischen Mädchen in den französischen Vorstädten seit Anfang der 90er Jahre kontinuierlich verschlechtert hat. Während Amaras eigene Generation sich noch Freiheiten erkämpfen konnte, ist der Druck heute unglaublich groß. Hintergrund ist der Autoritätsverlust der Väter, die Machtübernahme der Brüder, die kein Konzept der Männlichkeit haben als ihre vermeintliche Überlegenheit. Der damit einhergehende schwindende Respekt vor der Mutter und Frauen insgesamt hat extrem gewaltsame Auswirkungen. Und der Staat versagt auf der ganzen Linie, zieht sich aus den Vororten zurück, kooperiert einerseits mit Islamisten, während sich gleichzeitig offener Rassismus ausbreiet. Mit dem Slogan »Weder Huren noch Unterworfene« ist es aber jetzt gelungen, die Mädchen aus den Vierteln selbst zu ermutigen, sich gegen die grassierende Gewalt zur Wehr zu setzen. Ein sehr empfehlenswertes Buch, auch wenn die von Fadela Amara favorisierte Lösung – der starke, laizistische Staat mit Universalitätsanspruch – nicht unbedingt meine wäre. (Orlanda 2005).

Fatima Mernissi: Herrscherinnen unter dem Halbmond.

Bild Die verdrängte Macht der Frauen im Islam. Die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi erzählt Geschichten von Sultaninnen, die einst in Dehli, Kairo oder Granada herrschten. Sie erzählt von Intrigen und politischer Klugheit, beleuchtet den politischen und religiösen Hintergrund. Warum soll, was frher möglich war, heute nicht mehr möglich sein? (Herder Spektrum, 2004).

Fatima Mernissi: Islam und Demokratie. Die Angst vor der Moderne.

Was muss sich ändern im Islam, damit er sich dem modernen Denken öffnet, das demokratische Mitspracherechte und Anerkennung rationaler Entscheidungswege, die Achtung vor der einzelnen Person öffnet? Mernissi macht deutlich, woher der Islamismus seine Kraft bezieht, warum dies historisch gesehen, nicht so sein müsste, und was die Grundlage islamischer Identität in der Moderne sein kann. (Herder Spektrum, 2002).

Romane: